Die Tiroler Tageszeitung berichtete Samstag und
Sonntag über die
Einweihung der Hutterer-Gedenkstätte in einem am Inn gelegenen Innsbrucker Park, die Freitag
23.10.2015 mit Prominenz aus Politik und Religion sowie einer Delegation von zwei
kanadischen Hutterer-Ehepaaren aus
der Gruppe der "Schmiedeleut" stattfand. Siehe dazu auch die
Ankündigung auf einer Hutterischen
Website und die Tiroler
Bezirksnachrichten.
Christian Rathner gestaltete dazu einen TV-Beitrag
für die ORF-Sendereihe "Orientierung".
Damit erfüllte sich zum Teil eine Initiative von Karl Amesbauer, Dr. Astrid von Schlachta und Dr. Peter Schulte aus den Jahren 2004-2005.
Der Event verteilte sich auf folgende Stationen:
Dienstag 13.10.: |
Innsbruck: Fotoshooting
und Pressekonferenz im Bürgersaal anlässlich der Anbringung der neuen
Gedenktafel für Jakob Huter vor dem Hotel "Goldenes Dachl". Siehe
auch Artikel "Gedenken
an Wiedertäufer" |
Freitag 16.10.: |
Innsbruck: Einweihung des Hutterer-Gedenkstätte (14 Uhr), Festakt in der nahegelegenen lutherischen Christuskirche (15 Uhr) |
Samstag 17.10.: |
Innsbruck: Podiumsdiskussion in der Theologischen Fakultät der Jesuiten-Unversität am Karl-Rahner-Platz (9:30 Uhr) |
Sonntag 18.10. bis |
Reise der Hutterer-Delegation zu den Stätten ihrer Vorfahren in Tirol, Südtirol und Kärnten. Dabei kam es am 22.10. zur Enthüllung einer Täufergedenktafel auf Burg Summersberg (Gufidaun, Gemeinde Klausen). |
Samstag 24.10. bis |
Reise der Hutterer-Delegation zu den Stätten ihrer Vorfahren in Niederösterreich, Böhmen und der Slowakei. |
Mittwoch 28.10.: |
Rückflug der Hutterer-Delegation von Innsbruck nach Manitoba, Kanada. |
FREITAG, 16.10.2015
Das Wetter war der Einweihung insofern gewogen, als der über Innsbruck hängende Nebel sich erst nach dem Event unter freiem Himmel in Regen verwandelte. Den Park ziert ein Spielplatz, mehrere hohe Eichen, gepflegte Grünflächen, ein schönes landschaftliches Setting aus Innbrücke und malerischer Gebirgskulisse (Adresse: Franz-Greiter-Promenade, am Ende der Kaiserjägerstraße) und jetzt eben auch ein Kreis zwölf großer runder Granitfindlinge in der Nähe der Innbrücke (Hans-Psenner-Steg), geschaffen von der Tiroler Künstlerin Verena Paula Simeoni. Jeder der Steine steht für eine/n verfolgte/n Täufer/in, von denen acht zu Märtyrern (†) wurden:
1. Michael Kürschner-Klesinger † 2. Anna Malerin † 3. Ursula Ochsentreiberin † 4. Jakob Huter † |
5. Ursula Hellrigl 6. Georg Libich 7. Michael Zeller 8. Zellers Gattin |
9. Hans Mändel † 10. Eustachius Kotter † 11. Georg Mair-Rack † 12. Niclas Geyrsbühler † |
In jeden Stein gravierte Simeoni ein
Wort des Bibelspruchs "Denn Steine an seinem Diadem sind sie, die über
seinem Land funkeln"
(Sach
9:16) ein und benannte ihr Kunstwerk "Übrige Brocken" - nach dem
Titel einer Bibelspruchsammlung in einer hutterischen Bekenntnisschrift
aus dem späten 16. Jahrhundert. Wüsste man das nicht, dächte man bei "Übrige Brocken"
vielleicht zuerst an die in aller
Welt verstreuten Nachkommen der aus Österreich vertriebenen Täufer und dürfte
das wohl auch - Kunstwerke sind ja oft
mehrdeutig.
Simeoni schuf auch eine knapp zwei Meter hohe, senkrecht auf einem
Steinsockel stehende Kunststoffplatte mit klärenden Worten zur hutterischen Geschichte
und zur Gedenkstätte:
"Übrige Brocken"
Die Reden der Prominenz wurden von Dr. Eduard Geissler moderiert, der die treibende Kraft für die Errichtung der Gedenkstätte war und dem "Hutterer-Arbeitskreis Tirol & Südtirol" (kurz: Hutterer-Arbeitskreis) angehört:
Die Anwesenden bewegten sich dann zur lutherischen Christuskirche, in der folgende Personen Reden hielten bzw. auftraten:
Dr. Esther Fritsch, die Präsidentin der
Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg, wurde von
Landtagspräsident Herwig van Staa persönlich auf einen Sitz in der ersten
Reihe neben den katholischen Bischöfen geleitet, sprach aber nicht.
Die Bürgermeisterin von Innsbruck, Frau Mag.a Christine Oppitz-Plörer, ließ sich wegen wichtiger auswärtiger Termine entschuldigen.
Nach den Reden wurden Snacks an Stehtischen serviert, und zwangloses Plaudern
begann.
Am Büchertisch konnte man hutterisches Schrifttum erstehen, und in einem
Nebenraum gab es im Rahmen einer philatelistischen Ausstellung auch die
"Hutterer-Briefmarke" zu erwerben, die ein Philatelie-Verein aus
eigener Initiative, motiviert durch Kontakte zu Dr. Eduard Geissler, bei der
Post in
Auftrag gegeben
und finanziert hatte.
Bei einem Abendessen mit den Hutterern in einem nahegelegenen Gasthaus, gesponsert vom Hutterer-Arbeitskreis, klang der Abend aus.
SAMSTAG, 17.10.2015
Um 9:30 begann im Seminarraum VI der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck eine Podiumsdiskussion, die Frau Dr. Astrid von Schlachta moderierte. Voraus gingen Kurz-Statements folgender Personen:
Die Statements kreisten um Themen wie ...
Danach wurden Fragen aus dem Auditorium gestellt. Da Täufergemeinden die Säuglingstaufe grundsätzlich nicht anerkennen, wäre es fast zu einem Streitgespräch zwischen den betroffenen Kirchenvertretern gekommen, hätte nicht die Moderatorin "bei einem Thema aus dem 16. Jahrhundert die akademische Disziplin des 21. Jahrhunderts" eingefordert.
DONNERSTAG, 22.10.2015
Unter Anwesenheit von Maria Gasser (Bürgermeisterin von Klausen in Kärnten), der Hutterer-Delegation und des Hutterer-Arbeitskreises wurde die neue, an der Burg Summersberg (Gufidaun, Gemeinde Klausen) angebrachte Gedenktafel an das Martyrium von 19 Täufern und Täuferinnen feierlich enthüllt. Herr Dr. Eduard Geissler hielt dazu die geschichtliche Einführung.
SAMSTAG, 24.10.2015
Die Reise nach Niederösterreich, Böhmen und die Slowakei war eine gemeinsame Aktion der beiden Hutterer-Ehepaare und eines österreichischen Begleitteams, bestehend aus dem Organisator, dem Fahrer und einer Fotografin.
Die Reise hatte Pilgercharakter. Beide Gruppen waren per Mietwagen unterwegs. Man traf sich am
Nachmittag an der Autobahnraststätte Hochleithen (Autobahn A5 / Brünner
Straße KM 11, 2123 Wolfpassing) und fuhr über die Grenze nach Tschechien zu einer kleinen, unglaublich günstigen Pension in
Kobylí in der Nähe von Hustopeče (dt.:
Auspitz).
Fotogallerie
Kobylí
SONNTAG, 25.10.2015
Wir besuchten ...
Die Österreicher waren mit Straßenkarten, die Hutterer hingegen mit einem Navi ausgerüstet. Beim Finden des Fahrtweges unterstützte man einander gegenseitig. Verlor der anführende Wagen die Richtung, half der nachfolgende Wagen aus. Deswegen wechselte die Führung mehrmals.
MONTAG, 26.10.2015
Wiederentdeckter hutterischer BrÜderhof in Tschechien
Wir brachen Montag um acht Uhr früh von Kobylí nach Hustopeče auf. Auf dem Weg dorthin besichtigten wir in Velké Pavlovice einen Vierkanthof, von dem die Hutterer meinten, dass er dem Aussehen nach von Täufern im 16. Jahrhundert erbaut worden sein könnte. Jetzt wird er für Wohnungen und merkantile Zwecke genützt und Teile davon sind für Erneuerungsarbeiten eingerüstet.
Fotogallerie Kobylí und Hustopeče
In Hustopeče zeigte uns Karel Friedrich seine charismatisch-evangelikale Kirche, bevor er uns im Konvoi zu einem etwa 40 km westlich gelegenen großen verfallenen Vierkanthof führte, in dem wir für 11 Uhr erwartet wurden.
Der Hof heißt Alinkov (Dvůr Alinkov) und liegt abgelegen in einer zum östlichsten Zipfel der Gemeinde Horní Kounice gehörenden Hügelgegend, von Wald und Feldern umgeben. Er liegt aber nur 1 km von der Nachbargemeinde Čermákovice entfernt, von der aus er leicht zu erreichen ist. Wikipedia gibt seine geographische Lage mit 49°2′11,27″ Längengraden und 16°11′19,19″ Breitengraden an.
Es erwarteten uns ein Aufseher, drei Mitglieder eines Vereins zur Rettung von Alinkov und eine Englischlehrerin, die als Dolmetsch fungierte. Der Vereinspräsident, der Archäologe Dr. Jiří Pajer, sichtlich erfreut, in den Hutterern Menschen mit Sinn für den historischen und ideellen Wert des Anwesens gefunden zu haben, bestand darauf, nachdem wir bereits den zweistöckigen, am wenigsten baufälligen Wohntrakt durchforscht hatten, uns zwecks Vermittlung seines Spezialwissen unbedingt noch einmal durchzuführen. Vorher noch zeigte das zweite Vereinsmitglied, ein distinguiert wirkender Geschäftsmann, der begeisterten Judith Kleinsasser Fotos eines perlmutt-belegten vielteiligen Besteck-Service, das er in dem verfallenen Gemäuer gefunden und in seinem Safe deponiert hatte. Er hielt es für ein Original-Hutterer-Besteck.
Der mit Bauplänen ausgerüstete Dr. Pajer konnte in den ausgedehnten Räumlichkeiten unter anderem den gemeinschaftlichen Ess- und Gottesdienstraum der Hutterer ausmachen. Es handelte sich um einen einzigen großen Raum von mindestens 20 mal 5 Meter. Der Bereich des Zimmers, in dem gegessen wurde, zeichnet sich durch stark zerkratzte und zerbrochene Fußbodenkacheln aus - verursacht durch das Wetzen der Stühle und des schweren Tisches -, während die Fußbodenkacheln des für den Gottesdienst reservierten Bereich noch völlig intakt waren. In dem Trakt gab es außerdem jede Menge Wohnräume, Schlafzimmer, verrußte Küchen, schimmlige Badezimmer, durchbrochene Ziegelwände, mit Vogelkot bedeckte Dachböden und erdige Keller. Nichts davon war bewohnbar.
Zweifelsfrei hatte der Hof im Lauf der Jahrhunderte verschiedene Besiedlungsphasen mit unterschiedlichen Siedlergruppen erlebt. Jede Gruppe hatte ihre eigenen Renovierungs- und Umbauarbeiten vorgenommen, ohne die Bausubstanz wesentlich zu verändern. Die letzte Phase dürfte die kommunistische sein, in der Elektroinstallationen begonnen, aber nicht fertig gestellt wurden.
Laut Auskunft des Archäologen hat der jetzige Eigentümer das Anwesen zusammen mit umliegenden Grundstücken vor kurzer Zeit erworben. Er ist aber nur an der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche interessiert und nicht an dem verfallenen Vierkanthof. Wenn er ihn nicht verkaufen könne, würde er ihn abreißen lassen. Er wollte den Hof daher günstig abgeben.
Laut Auskunft Dr. Pajers hat der jetzige Eigentümer das Anwesen zusammen mit umliegenden Grundstücken vor kurzer Zeit erworben. Er wäre aber nur an der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche interessiert und nicht an dem verfallenen Vierkanthof. Könne er ihn nicht verkaufen, würde er ihn abreißen lassen. Er wolle den Hof daher günstig abgeben.
Völlig neu war den Hutterern, dass ihre Vorfahren an einer der vier Ecken des Hofes ein - jetzt komplett verfallenes - Heilbad untergebracht hatten, das sogar von der Fürstenfamilie regelmäßig besucht wurde. Mehr noch, der Fürst schickte sogar seine Kinder in die "Schul" am Brüderhof! An einer Wand konnte man noch Reste der Stuckornamente der Badeanstalt sehen. Der nordseitlich vorbeiziehende Fluss Rokytná bildet eine natürliche Grenze zwischen dem Grundstück und dem anliegenden Wald. Im der Rokytná zugewandten Trakt konnte man im Keller noch verrostete Pumpenanlegen sehen, die das Flusswasser zur Badeanstalt transportierte.
In einem nahe der Einfahrt positionierten, reichlich zerstörten Schuppen soll sich früher eine Bierbrauerei aus nachhutterischer Zeit befunden haben. Die Hutterer bestanden darauf, nie etwas mit Bierbrauen zu tun gehabt zu haben - außer, dass sie gelegentlich nichts gegen ein gutes Bier hätten.
Nach etwa eineinhalb Stunden hatte man genug gesehen und machte sich im Konvoi auf den Weg zum Domizil des dritten Vereinsmitglieds, einer alten, stilvoll umgebauten Mühle aus dem Jahre 1612. Darin waren Kaffee und Apfelstrudel vorbereitet für Verhandlungen zwischen dem Verein und den Hutterern. Mithilfe der Englischlehrerin besprach man die Bedingungen, unter denen die Hutterer Partner des Vereins werden und sich an den Kosten zur Renovierung und dann auch an der Nutzung des Hofes als Museum und gegebenenfalls an dessen Besiedlung beteiligen könnten. Edward Kleinsasser als Sprecher der Hutterer schien zunächst das ganze Anwesen allein kaufen zu wollen. Als er merkte, dass der Verein seine Ansprüche darauf nicht aufgeben wollte, bestand er nicht darauf, alleiniger Käufer zu werden, sondern erkundigte sich nach den Möglichkeiten einer Beteiligung der Hutterer. "We are definitely interested", erklärte er, nachdem alle seine Fragen vorläufig geklärt waren. Es kam dann weder zu einem Vertragsabschluss noch zu einem Vereinsbetritt der Hutterer, sondern man wollte mithilfe der Dolmetscherin in Kontakt bleiben und weitere Schritte brieflich, telefonisch oder per Videokonferenz kommunizieren.
Der Abschied war herzlich. Die Hutterer hatten sich eine genaue Beschreibung ihres
Fahrtweges nach Innsbruck organisiert, benötigten daher das österreichische Begleitteam
nicht mehr und blieben noch ein wenig in der Mühle.
Und die Österreicher machten sich wegen unaufschiebbarer Termine auf den Heimweg nach
Wien.
Fotogallerie Alinkov
WAS LÄSST SICH ERWARTEN?
Seit 2007 haben sich die Besuche kanadischer Hutterer in Österreich
intensiviert. Hutterer besuchen gerne die Heimat- und Leidensorte ihrer
österreichischen Vorfahren. Ich durfte selbst vor Jahren bei einem
Besuch von Hutterern in der Burg Falkenstein mit dabei sein, wo sie vor dem
in Stein gemauerten Kerker ihre Chronik öffneten und aus dem Leidensweg
ihrer Vorfahren vorlasen. Bei manchen Anwesenden flossen damals die Tränen ...
Die Verbundenheit der Hutterer mit ihrer alten Heimat lebte seitdem merklich auf
... was sich auch in amerikanischen hutterischen Websites niederschlägt ... und wer weiß, welche Früchte diese Verbindung noch tragen wird ...