Geschichtliche Einführung
zur neuen Täufer-Gedenktafel auf Burg Summersberg in Gufidaun
von Dr. Eduard Geissler, Riedbach 24, 6162 Mutters, 22. Oktober 2015

  

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kinder,

im letzten Jahr war ich mit Robert und Marta und mährischen Freunden in Gufidaun. Wir sahen von der Kirche herüber zur Burg und sprachen über die Bedeutung dieses Platzes in der Erinnerung der Hutterer und wünschten uns eine Gedenktafel. Es freut mich daher ganz besonders, dass nun die Gedenktafel angebracht wurde und ich hier über die Bedeutung dieses Ortes für die Täufer-Geschichte einführen darf.

Gerade im Eisacktal breitete sich die Täuferbewegung ab 1526 besonders rasch aus. Historiker rechnen mit bis zu 10% Anhänger und mit bis zu 30% Sympathisanten unter der Bevölkerung. Überall sprossen Untergrundgemeinden auf, die von Sendboten (Missionare) und Vorstehern betreut wurden.

Ab dem „Täufermandat“ von 1527 wurden jedoch diese Menschen von Staat und Kirche massiv verfolgt. Die Täufer praktizierten die Erwachsenentaufe, verweigerten Eide und Kriegsdienste und entzogen ihre Gemeinden der staatlichen und kirchlichen Aufsicht. Damit stellten sie wesentliche Grundlagen von Staat, Kirche und Gesellschaft der Frühen Neuzeit infrage.

Die Anhänger fanden in der Botschaft der Täufer eine Antwort auf die bestehenden politischen, kirchlichen und sozialen Missstände. Nachdem der Bauernaufstand von Michael Gaismair blutigst 1525 niedergeschlagen wurde, flackerte der Wunsch nach einem Gott wohlgefälligen Glaubensleben in der Bevölkerung rasch wieder auf. Der Weg dazu wurde bereits in der spätmittelalterlichen Laienbewegung, nämlich der „Devotia Moderna“, bereitet, die den Schwerpunkt auf Gemeinschaftsleben und Nachfolge Jesu legte.

Ab 1533 schlossen sich die meisten Tiroler Täufergemeinden den Hutterern an, die bereits in Mähren unter ihrem Vorsteher, dem Pustertaler Jakob Huter gütergemeinschaftlich lebten.

Da ein friedliches Gemeinschaftsleben für die Täuferinnen und Täufer in Tirol unmöglich wurde, blieb ihnen nichts anderes übrig, als fluchtartig das Land zu verlassen. Das gelobte Land in ihren Augen hieß nun Mähren!

Dort entstanden nach harten Verfolgungsjahren bis ins frühe 17. Jahrhundert blühende, handwerklich orientierte Gemeinwesen der Hutterer, die von den dortigen Adeligen toleriert und gefördert wurden. Später mussten die Hutterer über die Slowakei, Rumänien und die Ukraine in die USA und nach Kanada fliehen bzw. auswandern. Dort leben bekanntlich heute noch rund 50.000 Nachfahren auf gütergemeinschaftlich geführten Höfen.

Der Raum Gufidaun-Klausen war ein besonders starkes Täufergebiet. Dies lässt sich unter anderem aufgrund der hohen Anzahl von Bekennern und Märtyrern hier auf der Burg Summersberg ableiten.
19 Menschen wurden hier wegen ihres christlichen Glaubens getötet. Viele andere waren im Rundturm gefangen; meist wurden sie furchtbar gefoltert, um einen Widerruf, einen Verrat von Glaubensgenossen oder ein Geständnis über einen angeblich bevorstehenden Aufstand zu erzwingen.

Auf der neuen Gedenktafel sind einige der Opfer auch namentlich angeführt. Wer waren diese Frauen und diese Männer? Ich darf einige kurz vorstellen:

1527

Der ehemalige Gerichtsschreiber Michael Kürschner aus Völs am Schlern war einer der ersten Vorsteher und Missionare der Täufer im heutigen Südtirol. Ihm werden über 100 Taufen im Bereich Eisacktal bis Kaltern zugeschrieben. Bereits 1527 wurde er in Kitzbühel verhaftet und hier nach Gufidaun verlegt. 1528 wurde er, wie später Jakob Huter, ins Staatsgefängnis nach Innsbruck gebracht und vor dem Goldenen Dachl verbrannt.

1529

Der ehemalige katholische Priester Georg Blaurock aus Graubünden, war der „erste“ Täufer überhaupt (Jänner 1525 in Zürich durch Konrad Grebel getauft), somit ein Täuferpionier, dem schon in der Schweiz laufend nachgestellt wurde. Er gilt als der Täuferapostel Südtirols. Nach zwei erfolgreichen Missionsreisen wurde er hier gefangen genommen und dann am 06. September 1529 in Klausen öffentlich verbrannt.
Peter Walpot aus Klausen konnte diese grausame Verbrennung als 8 jähriger Bub mit eigenen Augen miterleben. Dieses Erlebnis brannte sich in seinem Gedächtnis und Herzen ein und auch er bekehrte sich zum Täufertum. 1539 floh er mit seiner Frau und 50 weiteren Personen nach Mähren. Er diente dort in den späteren Jahren sehr segensreich als Ältester aller hutterischen Gemeinden und gilt als Erfinder des geordneten Kindergartens und der allgemeinen Schulpflicht mit einer fortschrittlichen Schulpädagogik. – Vielleicht könnte in Klausen nach diesem bedeutenden, aber fast unbekannten, Bürger der Stadt eine Straße oder Platz benannt werden.

1535

Eine weitere prominente Gefangene im Rundturm war ab Ende 1535 Katharina Huter. Sie war seit dem Frühjahr desselben Jahres Gattin des Täufervorstehers Jakob Huter. Sie wurde mit ihm im Mesnerhaus in Klausen nach einer Art Alarmfahndung der Behörden gefangen genommen. Katharina war schwanger und eine sehr mutige junge Frau mit etwa 22 Jahren, die schon zwei Inhaftierungen hinter sich hatte. 1536 gelang ihr, wohl mit Hilfe von Sympathisanten, die Flucht und sie tauchte unter. Aber bereits 1538 wurde sie entdeckt, wieder gefangen genommen und auf Schloss Schöneck im Pustertal ermordet, vermutlich ertränkt. Was mit ihrem Kind passiert ist, bleibt im Dunkeln.

Die Gedenktafel endet nach diesen tragischen Begebenheiten mit einem hoffnungsvollen Ausblick:

„Selige sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt worden sind,
weil ihnen das Königreich der Himmel gehört.“