VERSTEHEN WIR, WAS DIE LEHRE VON "HUMANAE VITAE" SAGEN WILL?

von Martin Deininger

  

      I N H A L T
  
      VERSTEHEN WIR, WAS DIE LEHRE VON
      "HUMANAE VITAE" SAGEN WILL?
  
   I. Vorbemerkungen
  II. Der größere gesellschaftspolitische Zusammenhang -
       der Antagonismus
       1 Die Situation
       2 Die Reaktion
       3 Die Reaktion auf die Reaktion
          3.1 Was die Päpste dazu sagten
          3.2 Was die Katholiken dazu sagten
               3.2.1 Ehepaare
               3.2.2 Bischöfe
 III. Rang und Geltung dieser Lehre
 IV. Abhilfe

Für kur­ze Zeit erging sich die Pres­se in aller Welt wie­der ein­mal in flap­si­gen Kommen­taren zur kirch­li­chen Leh­re über die Geburten­regelung. Aus­löser war ein Neben­satz des amtieren­den Pap­stes in einem mit Peter See­wald ge­führ­ten Inter­view1, dem­gemäß der Um­stieg eines Pro­sti­tuier­ten auf Kon­do­me ein ver­antwortungs­bewusster Schritt sein könne. Mehr brauchte es nicht, um Kommen­tatoren zur küh­nen An­nahme eines hi­sto­ri­schen Ab­rückens der katho­li­schen Kir­che von ihrem "katego­ri­schen Kondom­verbot" zu be­wegen. Oder witzel­ten sie bloß?

Eine sol­che "histo­ri­sche Wen­de" wird, wer noch selb­ständig den­ken kann, nicht beim Lehr­amt, son­dern allen­falls bei Journa­li­sten sehen, die offen­bar im Inter­esse von "Stories" ihren letz­ten noch vor­handenen Bezug zu dem, was Sache ist, ge­kappt haben. Zum Glück bemerkten doch einige, dass See­walds Buch an der katho­li­schen Lehre nichts ge­ändert hat - wie zuletzt Michael Prüller in "Die Presse"2 -, sie blei­ben im Ge­samt der Wort­ergreifungen aber eher spärlich.

Was ich im Folgen­den an eige­nen Be­obach­tun­gen zum Thema "Lehr­amt und Familien­planung" an­biete, möch­te zei­gen,

   

I. VOR­BEMER­KUN­GEN - "VERBOT" TRIFFT'S NICHT WIRK­LICH

zum SeitenanfangVer­boten hat der "Vati­kan" (wer ist das?) Kon­do­me, Pil­len oder Ähn­liches nie. Kann er ja nicht. Wie soll er Her­stellung, Ver­kauf oder Ge­brauch be­sag­ter Ge­räte unter­binden können? Dazu hat er weder Macht noch Be­fug­nis.

Son­dern das Lehr­amt der katho­li­schen Kir­che - stimmt, es hat sein Haupt­büro inner­halb der vatika­ni­schen Mauern - stellte im 20. Jahr­hundert wieder­holt fest, dass kontra­zep­ti­ve Hand­lungen in der Ehe deren gott­gegebenen Zweck wider­sprechen und als "in sich böse" (in­trin­si­ce ma­lum) durch keine Um­stände zu recht­fertigen sind. Eine Fest­stellung, die es aus Wesen und Natur der Ehe ab­leitet.

Daraus folgt, dass ...

  1. bezüg­lich dem, was Men­schen ge­gebenen­falls außer­halb der Ehe mit empfängnis­verhütenden Mit­teln machen, vom Lehr­amt nichts ge­sagt wurde.

  2. Schluss­folgerungen be­züg­lich kon­kre­ten Ver­hal­tens in der Ehe, wie sie sich aus Er­kennt­nis­sen aus der Lektüre der be­treffen­den Lehr­amts­texte er­geben könn­ten, von den Ehe­partnern selbst zu ziehen sind und nicht vom Lehr­amt vor­ge­schrieben werden können. Das Lehr­amt er­füllt hier die Auf­gabe, die Ge­wissen der Ehe­partner zu in­formieren, nicht aber, ihnen durch Vor­schrif­ten Ge­wissens­entscheidungen abzu­nehmen. Eine Vor­schrift oder ein Ver­bot wäre hier in­so­fern fehl am Platz, als der schutz­würdige Wert, an dem das Gewissen der Ehe­partner sich hier zu orien­tieren hat (und das Lehr­amt sich zu orien­tieren ver­sucht hat), die ehe­li­che Be­ziehung ist - und nicht der Ge­hor­sam gegen­über einer Auto­ri­tät. Mit anderen Worten: Die Gültig­keit der Lehr­amts­aussagen bzgl. Empfängnis­verhütung in der Ehe ergibt sich aus der Sache selbst und nicht aus der Position des Spre­chers.

Als ich vor 24 Jahren in Rom am "Pontificio Ateneo della Santa Croce" katho­li­sche Theo­logie zu stu­die­ren be­gann, war mir bald klar, dass das In­sti­tut den Studien­erfolg intern da­nach be­wer­te­te, ob ein/e Stu­dent/in die Lehre Papst Pauls VI. zur Empfängnis­verhütung ak­zep­tier­te oder nicht. Mir machte das keine Pro­ble­me, denn diese Lehre schien mir logisch und nach­voll­zieh­bar, und ich schätze sie bis heute. Ich meine nach wie vor, dass es sich auszahlt, diese Position des katho­li­schen Lehr­amts zu studieren, weil mir bis­lang keine bes­se­re dies­bezüg­li­che Orien­tierung be­kannt ge­worden ist.

Der Neben­satz in dem ge­nann­ten Inter­view mit Herrn See­wald ist ganz und gar nicht sen­sa­tio­nell. Längst lehren Theo­logen den er­laub­ten Ein­satz von Kon­tra­zep­ti­va in vie­len denk­baren Situa­tio­nen, nicht nur in dem vom Papst neben­sätz­lich an­ge­dach­ten Fall.
Zum Bei­spiel be­merk­ten auch meine - höchst papst­treuen - rö­mi­schen Theologie­professoren, dass eine Frau sich prä­ventiv kontra­zeptiv schützen darf, wenn sie in einer Um­gebung lebt, in der bei­spiels­weise Ver­gewalti­gung zu be­fürch­ten ist, und dass das auch in der Ehe gilt. Denn Ver­gewalti­gung in der Ehe ist kein ehe­li­cher Akt und fällt daher nicht unter das, was das Lehr­amt über "Empfängnis­verhütung in der Ehe" sagt.
Und der österrei­chi­sche Familien­bischof Klaus Küng äußerte sich un­längst dahin­gehend, dass Mittel, die der ge­sund­heit­li­chen Inte­gri­tät wegen ein­gesetzt werden und als nicht direkt be­absich­tig­te Neben­wirkung die Emp­fäng­nis ver­hin­dern - bei­spiels­weise ein Kondom in einer Ehe, bei der ein Partner HIV-positiv ist -, erlaubt sein können.
Be­fin­det sich unter all den hier ge­mein­ten Situa­tio­nen auch die eine, von der die kirch­li­che Lehre über Empfängnis­regelung spricht? Nein, tut sie nicht, genau. "In­trin­si­ce ma­lum" bleibt nach wie vor nur die direkte Un­frucht­bar­machung des ehe­li­chen Aktes, alles ande­re muss an­ders be­urteilt wer­den.
Nicht zum ersten Mal haben Jour­na­li­sten den Zu­sammen­hang miss­achtet, in dem ein Wort - hier eben "Kondom" - fällt, im Inter­esse ihrer "Stories".

   

II. DER GRÖSSERE GESELLSCHAFTS­POLITISCHE ZUSAMMEN­HANG - DER ANTA­GONIS­MUS

zum SeitenanfangEs ist wohl nicht zu forsch zu be­haup­ten, dass jede Lehre situ­iert ist - auch die kirch­li­che Lehre zur Empfängnis­regelung. Situiert­sein heißt Ein­gebettet­sein in ein hi­sto­ri­sches (auch geistes­geschicht­li­ches), geo­graphi­sches, ge­sell­schaft­li­ches, wirt­schaft­li­ches Mit­einan­der.

Der Ver­such einer Orts­bestimmung die­ser Lehre ko­inzi­dier­te bei mir mit einem jahre­zehnte­lang be­obach­te­ten ge­sell­schaft­li­chen Anta­gonis­mus, den das Fol­gen­de dar­stellen will. Die Stimmig­keit dieser Koin­zi­denz möge jeder bitte selbst be­urtei­len. Für mich lau­fen jeden­falls die großen Para­meter meiner Welt­anschauung in dieser Lehre zu­sammen. Ins­beson­dere be­trifft das die Grund­lagen von Ge­sell­schafts­politik, Demo­grafie, Wissen­schaft und mensch­li­cher Reife.

Die päpst­li­che Lehre zur Empfängnis­regelung wird nie­mand auf Dauer nur als pedan­ti­sche Ein­forderung einer klein­li­chen kon­fessio­nel­len Regel, die der Papst ändern könn­te, wenn er woll­te, sehen können. Dass manche Kri­ti­ker, auch Theo­logen, genau das zu wollen schei­nen, wun­dert mich ziem­lich (ob­wohl es mich viel­leicht gar nicht wun­dern soll­te). An anderer Stelle habe ich dar­gelegt, dass diese Lehre das Natur­recht aus­legt. Selbi­ges ist, anders als po­si­ti­ves Recht, jeder Mani­pu­la­tion ent­zogen. Nie­mand kann es ändern, auch der Papst nicht.
Eine Vor­aus­setzung für das Ver­ständ­nis dieser Lehre ist die An­erken­nung der mensch­li­chen Wür­de. Die drei­dimensio­na­le Be­trachtungs­ebene wird dem Men­schen ein­fach nicht ge­recht, die vier­dimensio­na­le auch nicht. Fünf Di­men­sio­nen sind gerade ein­mal die Mindest­weite einer menschen­würdi­gen Existenz, und es gibt noch mehr. Verzeih­ung für meinen epi­ste­mo­lo­gi­schen Aus­flug in die Welt der Di­men­sio­nen - ich weiß, dieses Wort kommt in der Bibel nicht ex­plizit vor. Aber irgend­wie muss ich ein­fach meinen Ver­dacht formu­lie­ren, dass Theo­lo­gen, die diese Lehre für ver­änder­bar er­klären, den Men­schen nicht ganz für voll nehmen.

   

1. DIE SITUATION

zum SeitenanfangDie Wende vom 19. zum 20. Jahr­hundert bescher­te der Mensch­heit einen Sprung nach vorne im Ver­ständ­nis der Fort­pflanzungs­biologie. Ver­antwort­lich dafür war eine 1860 ge­machte Ent­deckung des Augustiner­paters Gregor Mendel, die etwa ab 1902 aka­de­mi­sche Ak­zep­tanz er­lang­te. Ich be­ziehe mich hier auf jenen Aspekt der nach ihm be­nann­ten Ver­erbungs­regeln, dem­gemäß sich der Bei­trag zur Ent­stehung neuen Lebens zu je 50% auf beide Eltern auf­teilt. Männ­li­cher wie weib­li­cher Eltern­teil liefern je einen haploi­den Chromo­somen­satz (Samen- bzw. Ei­zelle), der in der weib­li­chen Ei­zelle beim Vor­gang der Be­fruch­tung mit dem anderen zu einem diploi­den Chromo­somen­satz eines neuen Lebe­wesens ver­schmilzt und dessen toto­potente Erst­zelle bildet. Damit war erst­mals in der Ge­schich­te die Gleich­wertig­keit von Mann und Frau bei der Weiter­gabe des Lebens sowohl empi­risch als auch logisch nach­vollzieh­bar ge­worden - und die Zeiten, in denen man den Mann als Allein- oder Haupt­ursache der Fort­pflanzung an­sah, waren vorbei.

Der weib­li­che Zyklus wurde nun neu stu­diert, womit ein so noch nie da ge­wese­nes Bild von der Bio­lo­gie der Frucht­bar­keit und der Planung von Nach­kommen­schaft jeder­mann/-frau ver­mittelt werden konnte. Ein Ehe­paar konnte damit nicht nur Zeit­punkt und Zahl der Kinder, sondern auch deren Qua­li­tät und sogar Ge­schlecht be­ein­flussen.

Der Baum des Lebens war in greif­bare Nähe ge­rückt ...

"Seht, der Mensch ist ge­worden wie wir; er er­kennt Gut und Böse. Dass er jetzt nicht die Hand aus­streckt, auch vom Baum des Lebens nimmt, davon isst und ewig lebt!"

(Gen 3:22)

   

2. DIE REAKTION

zum Seitenanfang... ließ nicht auf sich warten. Mit diesem Wissen und einem reifen Be­wuss­tsein drohte die Mensch­heit aus dem Ruder zu laufen. Die phanta­sti­schen Mög­lich­keiten quanti­ta­ti­ven und quali­ta­ti­ven Wachs­tums der Mensch­heit erregten in be­stimm­ten Kreisen Be­sorg­nis.

... die Söhne Israels waren frucht­bar, so­dass das Land von ihnen wimmel­te. Sie ver­mehr­ten sich und wurden über­aus stark; sie be­völker­ten das Land.
... "Seht nur, das Volk der Israe­li­ten ist größer und stärker als wir.
... Wenn ein Krieg aus­bricht, können sie sich unseren Feinden an­schließen, gegen uns kämpfen und sich des Landes be­mächti­gen."
... Je mehr man sie aber unter Druck hielt, umso stär­ker ver­mehr­ten sie sich und breite­ten sie sich aus, so­dass die Ägyp­ter vor ihnen das Grauen pack­te.
... "Wenn ihr den He­brä­erin­nen Geburts­hilfe leistet, dann achtet auf das Ge­schlecht! Ist es ein Knabe, so lasst ihn sterben! Ist es ein Mäd­chen, dann kann es am Leben bleiben."
... "Bei den hebrä­ischen Frauen ist es nicht wie bei den Ägypte­rin­nen, sondern wie bei den Tieren: Wenn die He­bam­me zu ihnen kommt, haben sie schon ge­boren."
... das Volk aber ver­mehr­te sich weiter und wurde sehr stark.
... "Alle Knaben, die den Hebrä­ern ge­boren werden, werft in den Nil! Die Mäd­chen dürft ihr alle am Leben lassen."

(2. Moses 1:7-22)

Der Ver­gleich unse­rer heuti­gen Situa­tion mit der Isra­els in Ägyp­ten hinkt meines Er­ach­tens nicht. Damals wie heute sann man auf Me­tho­den zur Vitalitäts­ein­schrän­kung.
Offen menschen­rechts­widrige Me­tho­den sind in mo­der­nen Demo­kra­tien nicht durch­setz­bar3, also wende­te man Tricks an, damit die Käl­ber selber nach Strick und Schläch­ter rufen4.

Direkte Nachkommenschafts­verhinderung sind Ab­trei­bung5 und Emp­fäng­nis­verhütung.
Ab 1970 wurde die Ab­trei­bung in den meisten Ländern straf­frei erklärt, in Öster­reich 1975. Was nicht heißt, dass es vor­her keine Ab­trei­bun­gen gab. Da es in Öster­reich - neben Luxem­burg und Por­tu­gal - keine ärzt­li­che Melde­pflicht von Schwanger­schafts­abbrüchen geben darf (die Ärz­te wären schon dafür, aber die Poli­tik ist da­gegen), kann man nur schätzen, dass in Öster­reich 30-55% aller Kinder ab­getrie­ben werden.
Hor­mo­nel­le Ver­hütungs­mittel - Pille, Spira­le, Dia­phrag­ma - pro­pa­gie­ren Ärz­te flächen­deckend mit ziem­li­cher In­si­stenz bei ihren Pa­tien­tin­nen (die sich dem nur bei ent­sprechend star­ker Eigen­über­zeugung ent­ziehen können) und ver­schwei­gen dabei ge­flissent­lich deren nidations­hemmende - also früh­abtrei­ben­de - Wir­kung.
An nicht-hormo­nel­ler Empfängnis­verhütung emp­fehlen Ärzte Ei- bzw. Samen­leiter­durch­trennung (Va­sek­to­mie).
Das Kon­dom hin­gegen wird eher von der Poli­tik als von Ärz­ten pro­pa­giert - es han­delt sich dabei ja auch nicht um einen medi­zi­ni­schen Ein­griff.

An in­direk­ter Nach­kommenschafts­verhinderung wurden in letz­ter Zeit auch Imp­fun­gen6 und or­ga­ni­sier­ter Mord7 be­kannt.

   

3. DIE REAKTION AUF DIE REAKTION

3.1 WAS DIE PÄPSTE DAZU SAGTEN

zum SeitenanfangPius XI. (1922-1939, Achille Ratti) schrieb 1930 zum ersten Mal in der Ge­schich­te eine En­zy­kli­ka8 zu diesem Thema ("Casti connubii"), das damit ein­mal mehr zur "Chef­sache" wurde.

Pius XII. (1939-1958, Eugenio Pacelli) hielt viele An­sprachen dazu, ohne etwas zu schrei­ben.

Johannes XXIII. (1958-1963, Angelo Giu­sep­pe Ron­cal­li) be­rief das Zweite Vati­ka­nische Kon­zil (1962-1965) ein, das sich auch zur Geburten­regelung äußern woll­te. Die Konzils­väter konn­ten sich dies­bezüglich nicht auf eine Linie einigen, wes­wegen das Konzil eine Studien­kommis­sion ein­setzen ließ und eine ver­bind­li­che Äuße­rung auf später ver­schob:

Wo es sich um den Aus­gleich zwischen ehe­li­cher Liebe und ver­ant­wort­li­cher Weiter­gabe des Lebens handelt, hängt die sitt­li­che Qua­li­tät der Hand­lungs­weise nicht allein von der guten Ab­sicht und Be­wertung der Mo­ti­ve ab, son­dern auch von ob­jek­ti­ven Kri­te­rien, die sich aus dem Wesen der mensch­li­chen Per­son und ihrer Akte er­geben und die so­wohl den vol­len Sinn gegen­seiti­ger Hin­gabe als auch den einer wirk­lich hu­ma­nen Zeu­gung in wirk­li­cher Liebe wah­ren. Das ist nicht mög­lich ohne auf­richti­gen Wil­len zur Übung der Tugend ehe­li­cher Keusch­heit. Von diesen Prin­zi­pien her ist es den Kindern der Kirche nicht er­laubt, in der Geburten­regelung Wege zu be­schreiten, die das Lehr­amt in Aus­legung des gött­li­chen Ge­setzes ver­wirft (14).
   
Anm. 14: ... Be­stimm­te Fra­gen, die noch ande­rer sorg­fälti­ger Unter­suchun­gen be­dürfen, sind auf An­ord­nung des Heili­gen Vaters der Kom­mis­sion für das Stu­dium des Be­völkerungs­wachstums, der Fa­mi­lie und der Geburten­häufig­keit über­geben worden, damit, nach­dem diese Kom­mis­sion ihre Auf­gabe er­füllt hat, der Papst eine Ent­schei­dung treffe. Bei diesem Stand der Doktrin des Lehr­amtes be­absich­tigt das Konzil nicht, kon­kre­te Lösun­gen un­mittel­bar vor­zu­legen.

(Pastoralkonstitution "Gaudium et Spes" über die Kirche in der Welt von heute, Nr. 51)

Paul VI. (1963-1978, Giovanni Battista Montini) ließ das Thema programm­gemäß stu­die­ren. Eine Theologen­gruppe um Karol Wojtyła, Erz­bischof von Krakau und späte­rer Papst, unter­stütz­te ihn dabei9 im Sinne seiner spä­te­ren Ent­schei­dung. Die Mehr­heit der Kommissions­mitglieder war jedoch - wie sich all­mäh­lich heraus­stellte - gegen diese Lehre. Der Papst ent­schied sich den­noch für eine Lehr­kontinui­tät mit Pius XI., wie sie auch die pol­ni­sche Theologen­gruppe ver­trat, und ver­sandte ein dies­bezüg­li­ches Do­ku­ment ge­heim an alle Bi­schö­fe der Welt mit der Bitte um Stellung­nahmen. In ihren Rück­antworten lehnten die Bi­schö­fe die Ent­schei­dung des Papstes mehr­heit­lich ab. Paul VI. pro­mul­gier­te sie den­noch in seiner En­zyk­li­ka "Humanae vitae" (1968), ab­gekürzt HV.

Johannes Paul I. (1978, Albino Luciani) war nur 33 Tage im Amt und sagte als Papst nichts dazu.
Aus eini­gen seiner früher als Bischof von Vittorio Veneto und später als Patri­arch von Venedig ge­tätig­ten Äußerun­gen kann man schließen, dass er auf eine Aus­nahmen zu­lassen­de Rege­lung ge­hofft hatte, HV nach ihrem Er­scheinen je­doch vor­behalt­los ak­zep­tier­te10.

Johannes Paul II. (1978-2005, Karol Jósef Wojtyła) be­kräftig­te kon­sequenter­weise die Lehre von HV, und zwar in seinem Apo­sto­li­schen Schrei­ben "Familiaris Consortio" und seinen jahre­langen mittwöch­li­chen Ka­te­che­sen auf dem Peters­platz. Er präg­te da­rin den Aus­druck "Kul­tur des To­des", der er eine "Kul­tur des Le­bens" gegen­über stell­te.

Benedikt XVI. hat die blei­ben­de Gül­tig­keit der Lehre von HV be­reits mehr­mals be­stä­tigt.
Hat seine Be­mer­kung im Buch von Peter See­wald, dass ein Strich­junge mit Kon­dom ver­antwortungs­voller hand­le als ohne, wirk­lich eine Re­vo­lu­tion vom Zaum ge­brochen? Jeden­falls hat sie even­tu­el­le Skru­pel der In­du­strie ver­rin­gert, die nun in Ent­wicklungs­ländern auf die durch die UNO an­gebote­nen Kon­dom-Packun­gen "mit dem Segen des Papstes" schrei­ben kann - und darum geht es ja in Wirk­lich­keit.

3.2 WAS DIE KATHO­LI­KEN DAZU SAG­TEN

3.2.1 Ehepaare

zum SeitenanfangDie Katholiken unter­halb des Papstes waren mehr­heit­lich gegen "Humanae Vitae". Was imp­li­ziert, dass man­che auch dafür waren. Es gab und gibt Ärz­te, die ihr ganzes Leben lang NFP ("natür­li­che Familien­planung") lehr(t)en11. Es gab und gibt Ehe­paare, die mit NFP glück­lich ge­worden sind. Übri­gens waren an der Ent­wick­lung der Lehre Pauls VI. auch Ehe­paare maß­geb­lich be­teiligt.
Sta­ti­stisch ge­sehen, er­weisen sich Ehen, in denen NFP prak­ti­ziert wird, um etwa das Fünf­fache sta­bi­ler als solche, in denen ver­hütet wird (auch meine ge­schiede­nen Eltern haben hor­mo­nell ver­hütet).

3.2.2 Bischöfe

zum SeitenanfangDie nationa­len Bischofs­konferen­zen Öster­reichs und Deutsch­lands re­la­ti­vier­ten die Lehre von HV gleich nach dem Er­schei­nen der En­zy­kli­ka in­so­fern, als sie sag­ten, dass man auch in der Ehe ver­hüten könne, so­lange man nach seinem Ge­wissen hand­le (Maria­troster Er­klä­rung, König­steiner Er­klä­rung). Bi­schö­fe und Prie­ster, die HV ver­traten und lehr­ten, waren in der Minder­zahl, aber es gab sie. In der Folge wurde wahr­schein­lich viel ver­hütet - und ab­getrie­ben. Man konnte ja beides beich­ten und wurde ab­sol­viert (übri­gens wird in Öster­reich, zum Unter­schied von Polen, Ver­hütung prak­tisch nicht ge­beich­tet).
Der Wiener Kar­di­nal Christoph Schön­born sprach in seiner erst acht Mo­na­te spä­ter be­kannt ge­worde­nen viel­beachte­ten Rede im Je­ru­sa­le­mer Abend­mahls­saal (27.3.2008) griffig von einem drei­mali­gen Nein Eu­ro­pas zum Leben:
 - 1968 bei der Ablehnung von Humanae Vitae
 - 1975 bei der Einführung der Fristenlösung
 - 2009 bei der Einführung gleich­geschlecht­li­cher Partner­schaften
(Ich finde es be­acht­lich, dass Schön­born hier aus­drück­lich den Bi­schö­fen Mit­schuld am Be­völkerungs­schwund Eu­ro­pas gab - das habe ich vorher noch nie und von nie­man­dem ge­hört. Ich schrieb ihm des­halb einen an­erkennen­den Brief und erhielt von ihm eine freund­li­che Ant­wort.)

   

III. RANG UND GELTUNG DIESER LEHRE

zum Seitenanfang... ist, um das vor­weg zu neh­men, ziem­lich hoch. Sie gilt als un­fehl­bar und be­zieht sich auf alle Men­schen, nicht nur Ka­tho­li­ken. Ich leite das wie folgt ab:
Das Lehr­amt der katho­li­schen Kir­che be­an­sprucht Un­fehl­bar­keit in Fra­gen des Glau­bens und der Sitten ( = des Han­delns).
Un­fehl­bar­keit in Fra­gen des Glau­bens be­zieht es aus der Offen­barung Jesu Christi.
Un­fehl­bar­keit in Fra­gen des Han­delns be­zieht es aus der mensch­li­chen Ver­nunft, die, er­löst durch die Gna­de Jesu Christi, zur Er­kennt­nis der wah­ren mensch­li­chen Natur be­fähigt wur­de.
Formal ist HV nicht als un­fehl­bar de­kla­riert. Der Inhalt von HV be­an­sprucht jedoch Ver­bind­lich­keit und steht in einer un­unter­broche­nen Lehr­kontinui­tät seit den Zei­ten der Apo­stel - und das zählt für viele als Kri­te­rium für die Un­fehl­bar­keit einer Lehre.
Das Natur­recht be­zieht sich auf alle Men­schen, nicht nur auf Ka­tho­li­ken. Daher hält die ka­tho­li­sche Kir­che die Lehre von HV für eine all­gemein­mensch­li­che, vernunft­gemäße Lehre, die für alle Men­schen dieser Welt gilt.

   

IV. ABHILFE

zum SeitenanfangIn den letzten 18 Jahren meines Lebens ge­machte Er­fahrun­gen lehren mich, dass der be­schrie­be­ne ge­sell­schaft­li­che Anta­gonis­mus vor allem durch inter­kultu­rel­le und inter­religiö­se Ehe­schließun­gen ent­spannt werden wird. Ich sprach mit So­zio­lo­gen in ver­schie­de­nen Län­dern, die mei­nen, dass eth­ni­sche Span­nun­gen und be­waff­ne­te Kon­flik­te in einem zu eng ge­fass­ten Religions­verständ­nis grün­den und das Über­leben der Mensch­heit von der Über­win­dung rassi­scher, kul­tu­rel­ler und reli­giö­ser Barrie­ren im Heirats­verhalten ab­hängen wird. "Wir müssen uns ver­mischen, wenn wir über­leben wollen" war der ein­helli­ge, viel­leicht etwas naiv-begei­ster­te Tenor dieser Ge­sprä­che.
Auch die ethisch anspruchs­volle Lehre von Rev. Dr. Mun Sun Myung und seiner Frau Dr. Han Hak Ja, die messia­ni­sche Dien­ste an der Mensch­heit leisten, geht in die­selbe Rich­tung12.
Schaffen wir das, dann wird die Angst vor einer zu großen Vita­li­tät der Mensch­heit auto­matisch ihren Boden ver­lieren - weil es nur mehr eine Mensch­heit geben wird, zu der dann jede/r gehören wird ...

   

F U S S N O T E N

1 "Es mag be­grün­de­te Einzel­fälle geben, etwa wenn ein Pro­sti­tu­ier­ter ein Kon­dom ver­wen­det, wo dies ein erster Schritt zu einer Mora­li­sie­rung sein kann, ein erstes Stück Ver­ant­wor­tung, um wieder ein Be­wusst­sein dafür zu ent­wickeln, dass nicht alles ge­stat­tet ist und man nicht alles tun kann, was man will. Aber es ist nicht die eigent­li­che Art, dem Übel der HIV-Infek­tion bei­zukommen. Diese muss wirk­lich in der Ver­mensch­li­chung der Sexua­li­tät liegen" (Licht der Welt. Der Papst, die Kir­che und die Zeichen der Zeit. Ein Ge­spräch mit Peter See­wald, Herder Verlag, Frei­burg im Breis­gau, 2010, 146).
Dass bei dieser Be­mer­kung die Aus­sicht Pate stand, das Buch ins Ge­spräch zu bringen und besser zu ver­kaufen, soll nicht a priori be­stritten werden.

2 Eher Haarriss in der Beton­mauer als Damm­bruch: Die Presse 27.11.2010 17:58

3 Nicht-demo­kra­ti­sche Re­gimes können natür­lich leich­ter Maß­nahmen er­greifen, die die Rech­te ihrer Bürger verletzen. So setz­te bei­spiels­weise China seine Ein-Kind-Politik auch mit Zwangs­abtrei­bun­gen durch.

4 "Der Femi­nis­mus ist unsere Er­findung aus zwei Gründen. Vor­her zahl­te nur die Hälfte der Be­völke­rung Steu­ern, jetzt fast alle, weil die Frauen ar­bei­ten gehen. Außer­dem wurde damit die Fami­lie zerstört, und wir haben da­durch die Macht über die Kin­der er­hal­ten. Sie sind unter un­se­rer Kon­trol­le mit unse­ren Medien und be­kom­men un­se­re Bot­schaft ein­getrich­tert, stehen nicht mehr unter dem Ein­fluss der in­tak­ten Fa­mi­lie. Indem wir die Frauen gegen die Männer auf­hetzen und die Partner­schaft und die Ge­mein­schaft der Fa­mi­lie zer­stö­ren, haben wir eine ka­put­te Ge­sell­schaft aus Egoi­sten ge­schaf­fen, die ar­bei­ten (für die an­geb­li­che Kar­rie­re), kon­su­mie­ren (Mode, Schön­heit, Mar­ken), da­durch un­se­re Skla­ven sind und es dann auch noch gut fin­den."
(So zitierte Aaron Russo in einem Inter­view kurz vor seinem Tod seinen - wie er be­tonte: frühe­ren - Freund Nicholas Rocke­feller)

5 Die Berichte der römi­schen Ver­wal­ter im ersten Jahr­hundert be­ton­ten öfters, dass Christen nicht ab­trieben.

6 Laut der von der nationa­len Hebammen­vereinigung der USA ge­führ­ten und dem US-Gesund­heits­ministerium vor­liegen­den Liste der Fehl­gebur­ten ver­loren gegen die Neue Grippe Ge­impf­te sieben Mal so häu­fig ihr Kind wie nicht Ge­impf­te.

7 - Immer mehr Studien be­legen, dass von inter­nationa­len Or­ga­ni­sa­tio­nen auf­gestell­te Terror­gruppen Blut­bäder unter Zi­vi­li­sten an­richten und anderen in die Schuhe schie­ben. Sie er­zeu­gen damit im Volk den Ruf nach einem ef­fekti­ve­ren Sicher­heits­netz, das sie prompt liefern und damit auch schon alle in dessen Ma­schen ge­fan­gen haben ...
 - Wenig do­ku­men­tiert ist das Aus­ster­ben in­di­ge­ner nord­ameri­ka­ni­scher Dör­fer, deren ge­sam­ten Ein­wohner­bestand man ge­impft hatte. Das ka­na­di­sche Ge­setz ver­pfli­chtet die in­di­ge­ne Be­völ­ke­rung, von der Re­gie­rung an­geord­ne­te Ge­sundheits­maßnahmen über sich er­gehen zu lassen.
Lie­be Ka­na­dier, so wer­det ihr Be­fürch­tun­gen, der Name "Kanada" wer­de irgend­wann wahr wer­den, nicht zer­streuen können. "Kanada" kommt vom spani­schen "acá nada" = "hier ist nichts". Aber auch im Wiener Dia­lekt heißt "kana-da": "es ist nie­mand (mehr) hier".

8 "Littera Encyclica" (lat.) wörtlich: Brief, der alle ein­schließt; sinn­gemäß: Rund­brief an die (Kir­che in der) gan­ze(n) Welt

9 Siehe dazu das so­genann­te Krakauer Memorandum aus dem Jahre 1966.

10 Siehe dazu etwa ALLEN John L. Jr., Pope John Paul I and the pill: THE NATIO­NAL CA­THO­LIC RE­POR­TER Sep­tem­ber 5, 2003 Vol. 3, No. 2, bzw. das italie­ni­sche Ori­gi­nal von Lucianis Rede: ACCATTOLI Luigi, Papa Luciani, quel "sì" alla pillola: Corriere della Sera 28.1.1995, 14:
"Von allen Fragen, die jemals von der Kirche zu be­handeln waren, ist die­se Fra­ge die wich­tig­ste", mein­te Luciani. "Zur Zeit des Arius und Nesto­rius de­bat­tier­te man über die zwei Na­tu­ren in Christus. Das war auch eine wich­ti­ge Fra­ge, aber sie wurde nur von der Kirchen­leitung ver­standen, den Bi­schö­fen und Theo­lo­gen, wäh­rend die ein­fachen Leute nichts davon ver­stan­den und sag­ten: 'Ich bete Jesus Chri­stus an, den Herrn, der mich er­löst hat.' Und damit hatte es sich, dabei gab es keine Ge­fahr.
Aber hier haben wir es mit einer Fra­ge zu tun, die nicht mehr die Kirchen­leitung betrifft, sondern die ganze Kir­che, all die jun­gen Fa­mi­lien, die jun­gen chri­stli­chen Fa­mi­lien. Die­se Fra­ge ist wirk­lich der zen­tra­le Punkt, der gerade noch studiert wird ..."
"Hoffen wir, dass der Papst ein be­frei­en­des Wort spre­chen kann."
"Ich ver­si­che­re euch, dass die Bi­schö­fe sehr er­leich­tert wä­ren, wenn sie eine Leh­re fän­den, die Ver­hütungs­mittel unter be­stimm­ten Be­din­gun­gen er­laub­te. (...) Gäbe es auch nur eine unter tau­send Mög­lich­kei­ten, wir müss­ten sie finden."
Und nach der Pro­mul­ga­tion von HV:
"Ich gebe zu, dass ich mir ins­ge­heim wünschte, man hät­te die vie­len Pro­ble­me über­winden können und die Ant­wort des Mei­sters - er spricht ja mit einem be­son­de­ren Cha­ris­ma und im Namen des Herrn - we­nig­stens teil­weise mit den Hoff­nun­gen vie­ler Ehe­leute zu­sammen­gefallen wäre ..."

11 Siehe dazu den Bericht des Arztes Dr. René Bullecer, der mit sei­nem von der phi­lip­pi­ni­schen Bischofs­konferenz ge­spon­ser­ten Pro­gramm "AIDS-freie Phi­lip­pi­nen" er­reich­te, dass seit 1984 nur 590 Menschen des 96-Mil­lio­nen-Lan­des an AIDS star­ben.
Für Ugan­da siehe: SINGH Susheela / DARROCH Jacqueline E. / BANKOLE Akinrinola, A, B and C in Uganda: The Roles of Abstinence, Monogamy and Condom Use in HIV Decline (PDF-Format), Occasional Report No. 9, THE ALAN GUTTMACHER INSTITUTE, New York - Washington, De­cem­ber 2003
In Öster­reich war Dr. Josef Röt­zer mit sei­ner sympto­thermalen Me­tho­de bahn­brechend.

12 Siehe dazu etwa die Ab­schnitte über "Inter­kulturel­le Ehe­schließung" in den 2006 und 2007 öffent­lich ge­hal­te­nen 12 Friedens­ansprachen (PDF-Format).

Letzte Änderung: 05. 01. 2011  20:34 Uhr