Im katholischen Bayern aufgewachsen, interessierte ich mich doch sehr früh auch für das, was über meine katholische Kirche hinausging. Erst waren es die anderen christlichen Konfessionen und schließlich auch andere Religionen. Ein Lernergebnis war, dass ich oft genug von Vorurteilen belastet war, weil ich eben in der Zeitung, in irgendwelchen Zeitschriften irgendetwas zu diesen anderen Glaubensansichten gelesen hatte. Ich stellte fest, dass es immer wichtig ist, den direkten Kontakt herzustellen, anstatt sich auf Literatur und hierbei womöglich auch noch Sekundärliteratur zu verlassen.
Da mich Religion und Glaube sehr interessierte, war es nur logisch, dass ich nach dem Abitur katholische Theologie studierte. Dort faszinierte mich von seinen Gedanken Prof. Dr. Hans Küng, der ja weltweit in seinem Engagement um die Verständigung unter den verschiedenen Glaubensansichten anerkannt ist (http://www.uni-tuebingen.de/stiftung-weltethos). Ja, wie auch sollte es anders sein, als dass man auf den Gemeinsamkeiten aufbaut, anstatt sich die Unterschiede um die Ohren zu hauen! Verbindendes suchen anstatt Trennendes zu betonen! Das war und ist mein Verständnis von christlicher Gemeinschaft, Kommunio.
Nun ... seit einigen Jahren bin ich auch im Internet aktiv und habe dort über religiöse Diskussionsforen und Mailinglisten Menschen unterschiedlichster Glaubensrichtungen kennen gelernt.
Immer wieder fasziniert mich, was doch an gemeinsamem Gedankengut da ist und wie entspannend es ist, wenn ich als Christ mich nicht auf einen meiner Meinung nach missverstandenen Missionsauftrag Jesu Christi versteife und mich damit über Andersgläubige überhebe, sondern schlicht und ergreifend meine Mitmenschen als Gesprächspartner mit ihren eigenen Lebens-, ja Gotteserfahrungen ernstnehme und ihnen zuhöre. Dieser Austausch, der für mich Voraussetzung für wahrhaftes Verständnis ist, ist mir sehr wichtig. Mehr und mehr ist mir dabei auch klar geworden, wie bereichernd das ist.
Das Entscheidende aber ist, dass ich damit mehr und mehr auch ein Bewusstsein dafür entwickelt habe, dass ich "nur" von meinem persönlichen Standpunkt aus, von meinen Gotteserfahrungen her Gott beschreiben kann. Dass diese Gottessicht dann logischerweise eindimensional ist und eben nicht Gott in seiner Unendlichkeit erfassen kann, sollten wir alle nicht vergessen.
Ich bin überzeugt, dass es nur einen einzigen Gott gibt. Ich bin auch überzeugt, dass dieser Gott uns in Jesus Christus vollkommen offenbar gemacht wurde. Ich bin aber auch überzeugt, dass dieser Gott sich uns in allen Menschen in unterschiedlichster Weise, in den vielfältigsten Aspekten offenbar macht. Ich glaube, dass deshalb Jesus Christus sagte: "Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr es einem dieser Geringsten nicht getan habt, habt ihr es auch mir nicht getan" (Matthäus 25,45). Diese Aussage ist doch nur dann möglich, wenn Gott in meinem Nächsten erfahrbar ist.
Auf meiner privaten Homepage habe ich dem Thema "Interreligiöser Dialog" einen eigenen Bereich gewidmet, weil er mir sehr wichtig ist. Als kleine spielerische Auseinandersetzung zum Thema "Wahrheit in den Religionen" habe ich dort ein interreligiöses Geduldsspiel entwickelt (www.himmlischefundstuecke.de/PageA.htm), ebenso war es mir auch wichtig, nach Worten zu suchen, wie man vielleicht trotz unterschiedlicher Glaubensansichten gemeinsam beten könne. Das Ergebnis findet seinen Niederschlag im Versuch eines interreligiösen Gebetes, das Sie mit einer Einleitung ebenfalls auf meiner Homepage finden können (www.himmlischefundstuecke.de/Page62.htm).
Der 11.September hat mich in besonderer Weise emotional belastet, weil ich gerade zu diesem Zeitpunkt in unserer christlichen Familienbildungsstätte die Wanderausstellung der Stiftung Weltethos "Weltreligionen - Weltfrieden - Weltethos" durchführte. Tags darauf stand ich Schülern einer 6. Klasse für Fragen zur Ausstellung zur Verfügung. Natürlich stand der Islam im Brennpunkt des Interesses. Ich spürte, wie sehr Fremdheit und Angst uns lähmen kann, die eigentlichen Wesenszüge einer Religion zu erkennen. Und ich spürte bei mir selbst, wie schwer es mir fiel, um Verständnis für die Weltreligion Islam zu werben ...
Seither ist aus der Tiefe meiner Seele eine Frage immer weiter nach oben aufgetaucht, die ich erst jetzt so klar und deutlich formulieren kann:
Was geschähe, wenn jeder Mensch tatsächlich in seinem Nächsten in Anlehnung an Matthäus 25,45 Gott sehen und ihn auch so behandeln würde?