SÜDTIROLER TAGESZEITUNG 8. März 2007 - Nr. 50/15. Jg.
Die Hutterer vor dem Geburtshaus von Jakob Hutter in Moos bei St. Lorenzen und
in der Bozner Altstadt mit Robert Hochgruber: "Wir sind Freunde geworden."
Hutterer
Arnold Tribus
Sie sind wieder abgereist, die Hutterer aus Kanada, die zu einer langen Versöhnungsreise aufgebrochen waren in das Land, in dem der fromme Mann, dessen Namen sie tragen, Jakob Hutter, 1536 auf dem Scheiterhaufen vor dem Goldenen Dachl in Innsbruck verbrannt worden war. Mit dem Segen der Kirche wurde damals ein Gottesfürchtiger gemordet, im Namen der reinen Lehre, des rechten Glaubens wurde das Feuer der Wahrheit entfacht, Kirchenleute haben gerichtet und gemordet, weil die nicht dulden konnten, dass er von der Kindstaufe nichts hielt, von der Beichte und von der Marienverehrung auch nicht. Mit dem einfachen Hutmacher aus Moos bei Sankt Lorenzen, dem seine Glaubensgrundsätze wichtiger waren als sein Leben, starben über 2.000 Täufer den Märtyrertod. Diese der Ketzerei beschuldigten Christenmenschen mussten das Land verlassen, sie wurden aus dem Heiligen Land Tirol vertrieben und siedelten schließlich, nachdem sie auch im Zarenreich verfolgt wurden, nach Kanada um, wo sie heute noch auf ihren Bruderhöfen leben. Dort leben sie streng nach ihrem Bibelverständnis, wobei das Gemeinschaftsleben durch die Ordnung ihrer Väter bestimmt wird. So sind ihre Gepflogenheiten seit 500 Jahren fast identisch, die Männer tragen schwarze Einheitskleider, die Frauen lange Röcke und den ganzen Tag das Kopftuch. Die Männer besorgen die Landwirtschaft, die Frauen den Haushalt, eigentlich gar nichts Kurioses, diese Menschen leben heute noch so, wie man in Tirol bis zum vorigen Jahrhundert lebte. Heute fallen sie auf, wenn sie durch die Stadt gehen, aber unsere Bauern, die vor Jahrzehnten noch in die Stadt kamen, sahen gleich aus. Und dass die Südtiroler Bauersfrauen alle ein Kopftuch trugen, daran kann ich mich noch erinnern. Es war schön, diese Menschen zu sehen, es ist schier unglaublich und lässt den Glauben an die göttliche Vorsehung aufkommen, dass es heute noch eine Glaubensgemeinschaft gibt, die urchristliche und urkommunistische Werte lebt - für Gott und das ewige Leben. Das hutterische Leben ähnelt dem einer Klostergemeinschaft; arbeiten, beten, essen, schlafen. Jede Art von Lust und Luxus verdammen sie, diese Verführungen sind des Teufels. Sie leben, wie die alten SüdtirolerInnen einst auf ihren Bauernhöfen lebten, weltabgewandt, schlicht, funktional, isoliert, karg. Freilich, sie leben in einer großfamiliären Gütergemeinschaft, Privateigentum lehnen sie ab, außer Kleidung, Wohnung mit Bett und einer Truhe haben sie nichts, Geld bedeutet diesen radikalen Urchristen so gut wie nichts. Als gewaltfreie ChristInnen lehnen sie auch den Militärdienst ab, wählen tun sie nicht. Sie sind ein tolerantes Volk. An den Hutterern, die hier zu Gast waren, konnte man so ungefähr erahnen, wie die Menschen in unserem Land gelebt und gefühlt hatten: einfach und gottesfürchtig. Wunderbar und für die SüdtirolerInnen ermutigend ist auch der Umstand, dass sich diese Leute ihre Sprache erhalten haben, die zu ihrer Wesensart gehört. Es gibt keine englischen Hutterer, auch wenn sie alle englisch sprechen.
Man muss dem ehrwürdigen Herrn Robert Hochgruber dankbar sein, der diese Initiative "Hutterer, Arbeitskreis Versöhnungszeichen" gegründet hat. Erfreulich war, dass es auch ein Treffen mit dem katholischen Südtirol gab. Der Herr Bischof persönlich reichte die Hand zu Frieden und Versöhnung, nachdem diese einfachen Leute, unsere ehemaligen MitbürgerInnen, von einem fanatischen Klerus und aufgehetzten Gläubigen vertrieben worden waren. Diese sanftmütigen Brüder wurden Opfer einer religiösen Säuberung im Herzen Europas, sie haben aber nie eine Wiedergutmachung gefordert. Dieses Land, in dem nun Frieden herrscht, Wohlstand, Toleranz, in dem Menschen verschiedener Sprachgruppen und Religionen friedlich zusammenleben, sollte einer Hutter-Familie das Verdienstkreuz des Landes Tirol verleihen, als Zeichen brüderlicher Verbundenheit.
arnold.tribus@tageszeitung.it
Die Hutterer sind wieder abgreist
Die Hutterer vor dem Geburtshaus von Jakob Hutter in Moos bei St. Lorenzen und in der Bozner Altstadt mit Robert Hochgruber: "Wir sind Freunde geworden."
Die Delegation der Hutterer, die sich in den vergangenen 14 Tagen in Süd- und Nordtirol aufgehalten hat, hat Anfang der Woche ihre Rückreise nach Kanada angetreten. Mit Wehmut, aber auch mit großer Freude im Herzen haben sie sich von den Menschen und dem Land ihrer Vorfahren verabschiedet. Überwältigt waren sie von der Freundlichkeit der Menschen im gesamten Tirol. "Sie sain soo guat und soo fraintlich zun ins", sagte Paul Hofer, einer der Hutterer. "Mir sain erstoant, dass mon in Tirol olbn no daitsch ret wia mir. Diis is dr schiansta Plotz auf dr gonzn Welt." Tief beeindruckt und bereichert waren auch die Mitglieder des Süd- und Nordtiroler Arbeitskreises "Hutterer-Versöhnungszeichen". "WIr sind in dieser kurzen Zeit Freunde geworden", sagte Robert Hochgruber, der Leiter des Arbeitskreises. "Es ist großartig zu wissen, dass es in Kanada und in den USA Menschen gibt, die noch unseren Dialekt sprechen, sich eine Tiroler Kultur bewahrt haben und aus ihrem tiefen christlichen Glauben heraus leben."
Die Hutterer werden nun zu Hause den Ältesten und Predigern ihrer Gemeinden die Erfahrungen mitteilen. Ein Schreiben des Arbeitskreises "Versöhnungszeichen" lädt zu weiteren Gesprächen ein. Ziel ist eine Vertiefung der Kenntnis der jeweiligen Standpunkte und - "wenn Gott es will", wie die Hutterer sagen - ein offizieller Akt der Freundschaft und des Friedensschlusses, um dieses dunkle Kapitel der Tiroler Geschichte abzuschließen. Dies soll auch ein Wegweiser sein für Respekt und Toleranz im gegenseitigen Umgang der verschiedenen heutigen Religionen und Weltanschauungen.