Das sanfte Gesicht des Islam
Der Standpunkt von Martin Stricker 17. November 2005 Salzburger Nachrichten

Sie waren klug. Sie waren gewinnend und auch charmant. Sie wollten überzeugen. Sie zeigten uns das sanfte Gesicht des Islam. Fürchtet Euch nicht, so lautete die Botschaft der Männer und Frauen aus dem Reich des Propheten - aus dem Iran und dem Irak, aus Afghanistan, aus Syrien, Bosnien und der Türkei.

Die dreitägige Konferenz "Der Islam in einer pluralistischen Welt" war hochkarätig besetzt. Vertreter der fundamentalistischen Richtung aber fehlten. Das ist ein Mangel, tut der Bedeutung dieses Dialogs in Wien jedoch keinen Abbruch. In unserer neuen Realität, in dieser Welt ohne Grenzen, brauchen die Sprecher des friedvollen und aufgeklärten Islam jede Unterstützung des demokratischen Westens - erster Schritt ist das Lösen von Missverständnissen und der Aufbau von Vertrauen.

Die geistlichen Führer und Vertreter des Islam sehen sich in Geiselhaft der Extremisten. Deren Terror sorgt für eine zunehmende Ablehnung dieser großen Weltreligion. Die Islamophobie grassiert. Spät, aber doch erheben die Gemäßigten in der ganzen Welt nun die Stimme, verurteilen die Mörder und die Blutbäder, nennen sie unislamisch und ihrem Glauben widersprechend.

Wir müssen auf die Täter blicken, nicht auf die Religion, betonte Shirin Ebadi, Anwältin aus Teheran und Trägerin des Friedensnobelpreises.

Doch es fällt schwer, wenn sich nach beinahe jeder Bombenexplosion in welchem Land auch immer irgendjemand auf den Islam beruft und eine Frau wie Ebadi in ihrer Heimat wahrscheinlich längst im Gefängnis verschwunden wäre, hätte sie nicht einen Nobelpreis.

Trotzdem müssen wir Ebadi folgen und diese Unterscheidung treffen. Sie hat Recht - abgesehen davon, dass es keine Alternative gibt.

Islam und Christentum, Islam und säkulare Gesellschaftsordnungen haben im Zeitalter der Globalisierung keine Wahl, außer miteinander zu leben. Das Schicksal der Welt sei ein gemeinsames geworden, das habe es in der Geschichte bislang nicht gegeben, meinte Mohammed Khatami, Ex-Präsident des Iran und schiitischer Geistlicher, und auch er hat Recht.

Die Mehrheit der muslimischen Politiker und Theologen suchen den Weg in die Moderne. Sie berufen sich dabei auf die Ursprünge ihres Glaubens, der Toleranz, Vielfalt und Freiheit umfasse und der daher, so ein Ergebnis der Argumentation, demokratischen Konzepten nicht widerspreche.

Das ist ein schöner Ansatz.

Er bedeutet, das Gemeinsame zu suchen und zu unterstreichen, weniger das Trennende. Beide Religionen, Islam und Christentum, könnten einander näher stehen als die meisten ihrer Anhänger denken.

Mohammed und Jesus hätten einander wohl bestens verstanden - es sind ihre Erben, die ihre Lehren immer wieder verbogen haben.

 

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