....denn der "Weltfriede ist nicht nur möglich, sondern unausweichlich!"
Vortrag zum Weltreligionstag 25. 01. 2004 der Baha'i Gemeinde Wien

Die Einführung des Weltreligionstages wurde durch die Baha’i in den USA im Jahre 1950 veranlasst. Diese Veranstaltung am dritten Sonntag im Januar wurde bald zu einer festen und gut besuchten Einrichtung, zu einem Forum der Anhänger  unterschiedlichster Glaubensgemeinschaften, die jeweils durch einen Redner vertreten waren. Mittlerweile wird er in über 80 Ländern gefeiert.

Die Beiträge standen unter Themen wie "Die Wahrheit wird euch freimachen" (1954), "Zusammenarbeit der Religionen tut Not" (1956), "Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein" (1959), "Ich glaube an die Zukunft der Menschheit" (1960), "Religion ist der Sieg über die Furcht" (1962), "Gottes Kraft umfasst das All" (1963), "Im Angesicht Gottes ist kein Unterschied zwischen den verschiedenen Rassen" (1964).

Einige von ihnen mögen schon einmal auf einem Weltreligionstag gewesen sein, für die anderen unter euch mag das vielleicht etwas neuartiges und abstraktes sein. Vielleicht stellen Sie sich dann die Frage, was wir uns aus diesem besonderen Tage erhoffen.

Wir wollen damit ein Forum bieten, wo sich Menschen unterschiedlicher Religionen begegnen können, das Miteinander erleben können und aus dieser Begegnung auch für sich selber schöpfen können, für ihren eigenen Glauben schöpfen können, um zu erkennen, dass die andere Religion nichts fremdartiges ist, sondern dass man sich ohne Vorurteile in der Gesellschaft begegnen kann.

Der Dialog zwischen den Religionen fördert ein besseres Verständnis für das weite Spektrum religiöser Sichtweisen, den Respekt für Menschen anderer Herkunft, Kultur und Religion. Gerade heute, da die Menschheit immer näher zusammenrückt, wird dies dringend benötigt.

In unserem Land leben Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, Herkunftsländern oder Religionen. Diese Vielfalt hat es in der österreichischen Geschichte noch nie gegeben.

Das ist eine Chance im Sinne des globalen Zusammenwachsens. Friedensbereitschaft und Solidarität sind allerdings noch einzuüben. Aus der Geschichte lernen wir: Kreuzzüge, Religionskriege oder der Holocaust dürfen sich nicht wiederholen.

In der Tat haben sich Religionen als die integrierendste Kraft in der Geschichte erwiesen. Alle haben es vermocht, Menschen unterschiedlichster Kultur und Bildung unter ihrem jeweiligen Dach zu vereinen. Und doch haben sich die Religionen über die Geschichte hinweg als die hartnäckigsten Friedensstörer erwiesen, weil Finalitäts-, Exklusivitäts- und Superioritätsansprüche den Blick für die Fülle der Gemeinsamkeiten der Religionen verstellten und Feindbilder entstehen ließen. «Alles Erhabene,» heißt es in den Bahá'í-Schriften, «kann zu bösen Zwecken missbraucht werden.»

Religiöser Fanatismus hat mit der vitalen Kraft, durch die Religionsstifter in allen Epochen der Menschheit geistige Erneuerung brachten, nichts zu tun. Er ist eine Ausgeburt egozentrischen Machthungers und als solcher mit den Mitteln geistiger Auseinandersetzung und Aufklärung zu beseitigen.

Religiöser Fanatismus ist die schlimmste Pervertierung der Religion. «Wenn die Religion zu Streit und Haß führt, wäre es besser, es gäbe keine.»

Nach dem Glauben der Bahá'í gilt es heute, alle Absolutheitsansprüche über Bord zu werfen und unsere gemeinsame Quelle, den gemeinsamen Ursprung aller Religionen zu erkennen und an ihn zu glauben.

Das ist weit mehr als Toleranz.

Toleranz kann nämlich lediglich eine «Duldung des Andersgläubigen» meinen; selbst glaubt man aber noch an die eigene Überlegenheit, an die Alleingültigkeit seiner Wahrheit.

An die gemeinsame Quelle der Religionen zu glauben, heißt aber, jede «andere» Religion nicht nur zu «dulden», sondern an ihren ebenso gleichrangigen Wahrheitskern, an ihre ebenso gleichwertige göttliche Quelle, zu glauben.

Dass wir heute hier gemeinsam sprechen können, bedeutet sehr viel. Ist dies nicht ein Zeichen, dass die Türen der Religionen für immer offen zuhalten sind? Ist nicht jede Religion ein Weg zu Gott, eine Tür zum Göttlichen?

Religionen sind Länder übergreifend, daher müssen wir aufhören, sie einzelnen Ländern zuzuordnen. Es kann nicht angehen, dass einzelne Staaten die Religion missbrauchen, um aus ihr die Grundlage für ihre gewalttätigen, speziell für ihre terroristischen, Akte und Aktionen herzuleiten, oder um die Aktionen einzelner Gewalttäter und deren Organisationen zu unterstützen, und vor aller Welt gut zu heißen.

In den großen Gefahren, die sowohl die Globalisierung wie auch die Abschottung in sich bergen, rufen wir zu einem Maximum an Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen auf, verstanden nicht als Gleichmacherei, sondern als eine Einheit in der Vielfalt.

Nur so können die Religionen noch eine Bedeutung haben: indem sie sich noch stärker als bisher auf die ihnen doch gemeinsame Quelle beziehen, indem sie Versöhnung vorleben, indem sie ihre Streitigkeiten beenden und indem sie auf der ganzen Welt, in Kirchen und Moscheen, Tempeln und Synagogen ein Maximum an gemeinsamen, Kulturübergreifenden Werten verkünden und vorleben.

... denn der "Weltfriede ist nicht nur möglich, sondern unausweichlich"

Dieser Satz stammt aus einer Friedensbotschaft des obersten Baha'i-Gremiums an die Völker der Welt. Das Universale Haus der Gerechtigkeit, und weist damit auf einen Umstand hin, der vielfach noch als Traum angesehen wird.

Über die Religion als gesellschaftsbildende Kraft sagt Bahá'u'lláh, Stifter der Baha’i Religion: »Religion ist das wichtigste Mittel zur Begründung von Ordnung in der Welt und zur Befriedung aller, die darin wohnen.«
Wenn ein Kriegsgedanke kommt, so widersteht ihm mit einem stärkeren Gedanken des Friedens.

Zur Errichtung eines dauerhaften Friedens müssen soziale und wirtschaftliche Grundprobleme der Menschheit mutig in Angriff genommen werden. Ohne die Beseitigung von Rassismus, Fanatismus, ungezügeltem Nationalismus, ohne einen Ausgleich zwischen den Extremen von Armut und Reichtum, die Emanzipation der Frau, universale Erziehung oder einer weltweiten Kommunikation in einer gemeinsamen Sprache und Schrift (zusätzlich zur Muttersprache), kann dieses Ziel nicht erreicht werden.

»Die Hauptfrage, die es zu lösen gilt, lautet, wie die heutige Welt mit ihren tief sitzenden Konfliktstrukturen in eine Welt verwandelt werden kann, in der Eintracht und Zusammenarbeit vorherrschen.« »Eine Welt, die zur Reife heranwächst, muss diesen Fetisch« Nationalstaat »aufgeben, die Einheit und Ganzheit der menschlichen Beziehungen erkennen und ein für allemal den Apparat aufrichten, der diesen Leitgrundsatz ihres Daseins am besten zu verkörpern vermag.«

Die Lehre, dass wir andere so behandeln sollen, wie wir selbst behandelt werden wollen, eine in allen großen Religionen wiederholte Ethik. Sie fasst die ethische Grundhaltung zusammen, den friedenswirkenden Aspekt, der sich durch diese Religionen hindurchzieht, ungeachtet des Ortes und der Zeit ihrer Entstehung; sie kennzeichnet außerdem den Aspekt der Einheit als wesenhafte Eigenschaft der Religion, eine Eigenschaft, welche die Menschheit in ihrem zusammenhanglosen Geschichtsbild zu würdigen versäumt hat.

Goldene Regel

Die goldene Regel ist,
in Angelegenheiten anderer das zu tun, was du für dich tust.
Hinduismus

Was du nicht wünschest, dass dir dein Nächster tue, das tue du ihm nicht.
Judentum

Was du tust, wird dir getan werden.
Zoroastrische Religion

Man soll für andere das Glück suchen, das man sich selbst wünscht.
Buddhismus

Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.
Christentum

Lasset keinen von euch einen Bruder so behandeln, wie er selbst nicht behandelt werden möchte.
Islam

Wenn du auf Gerechtigkeit siehst, dann wähle für deinen Nächsten, was du für dich selbst wählst.
Bahá'í

Möge der Weltreligionstag eine Brücke vom gleichgültigen Nebeneinander zu einem konstruktiven Miteinander bauen, eine Brücke bunter Vielfalt in eine friedlichere und geistig reichere Zukunft.

Literaturverzeichnis:
Aus den heiligen Baha’i Schriften wurden Zitationen von Bahá'u'lláh (Stifter der Baha’i Religion), `Abdu'l-Bahá (Sohn des Stifters der Baha’i Religion) und aus der Friedensbotschaft des Universalen Haus der Gerechtigkeit (Oberste Gremium der Baha’i Religion) der Baha’i Religion vorgenommen.

Nähere Informationen siehe www.bahai.de

 

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