Frau Mag. Edith Riether
Regierungsrätin
Der katholische Theologe Hans Küng, der zunächst durch seine Bücher "Credo", "Christ sein", "Existiert Gott?" und "Unfehlbar?" berühmt geworden war, trat 1990 mit einer Idee in die Öffentlichkeit, die weltweit aufhorchen ließ und die er "Projekt Weltethos" nannte. In dem gleichnamigen Buch weist er schlüssig nach,
dass es keinen Weltfrieden ohne Religionsfrieden, keinen Religionsfrieden ohne Religionsdialog und keinen Religionsdialog ohne Grundlagenforschung in den Religionen geben könne. Der letztgenannten widmete er sich in einer groß angelegten "Spurensuche" nach den allen Weltreligionen gemeinsamen ethischen Grundsätzen. Dazu gehörten auch zahlreiche interreligiöse Dialoge. 1993 nun wurde Küng vom Parlament der Weltreligionen in Chicago aufgefordert, eine "Erklärung zum Weltethos" zu verfassen, die in Anwesenheit von 7000 Teilnehmern vom Council des Parlaments - bestehend aus 200 religiösen Führern - angenommen wurde. Sie kann somit als Weltethos-Charta angesehen werden, die auch von Ungläubigen durchaus akzeptiert werden dürfte. Sie enthält die zwei wichtigsten ethischen Prinzipien, die Küng in allen Weltreligionen gefunden hat und die das Überleben der Menschheit garantieren, wenn die Globalisierung weiter voranschreitet:
"Jeder Mensch muss menschlich behandelt werden" und die Goldene Regel "Was du nicht willst, dass man dir tut, das tue auch nicht den anderen".
Daraus ergeben sich dann noch die vier Weisungen, die - weil ebenfalls in der einen oder anderen Form in sämtlichen Weltreligionen als ethische Maßstäbe und Forderungen enthalten - globale Gültigkeit haben. Sie lauten:
Es geht also nicht um moralische Handlungen, sondern um eine ethische Grundhaltung. Es geht um eine Kultur der Gewaltlosigkeit, der Solidarität, der Toleranz und Wahrhaftigkeit sowie der Gleichberechtigung und Partnerschaft. 1995 hatte Prof. Küng dann das Glück, eine Stiftung in Tübingen zu bekommen, mit Hilfe derer er eine sehr effiziente Institution aufbauen konnte, die viele Projekte organisiert. Es werden interreligiöse Konferenzen, Colloquien mit Wissenschaftern und Wirtschaftskapitänen veranstaltet, wertvolle Unterrichtsmatierialien ausgearbeitet und zur Verfügung gestellt sowie jüngst eine Wanderausstellung unter dem Titel "Weltreligionen-Weltfrieden-Weltethos" auf Reisen geschickt, die großen Anklang bei den Besuchern findet. Auf die Stiftung in Tübingen folgten solche in der Schweiz, in Tschechien und in den Niederlangen, deren Aufgabe es ist, in ihren Ländern einen Bewusstseinsbildungsprozess einzuleiten und Überzeugungsarbeit zu leisten, damit nicht nur die Verantwortlichen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, sondern alle gläubigen und ungläubigen Menschen einsehen, dass es keinen Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen geben kann, keinen Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen, keinen Dialog zwischen den Religionen ohne globale ethische Maßstäbe, ja überhaupt kein Überleben unseres Globus ohne ein globales Ethos, ein Weltethos.