Die Verfolgung der österreichischen Protestanten während der Gegenreformation
Gustav Reingrabner, Dr. et Mag. theol.,
ehem. Superintendent der Diözese Burgenland der Evangelischen Kirche A.B., Eisenstadt.

I.

Die Ausbildung der Konfessionen im Abendland als Folge der von Wittenberg ausgehenden reformatorischen Bewegung war ein Prozess, dessen Verlauf in seinen Einzelheiten keineswegs schon zureichend erforscht ist. Immerhin ist unbestritten, dass es eine Entwicklung war, die zur Ausbildung und Austragung von Gegensätzen führte. Erst allmählich vermochte man die Vorstellungen des Mittelalters über Ketzerei und Ketzerverfolgungen zu überwinden. Diese Überwindung war zu einem guten Teil durch die Notwendigkeit möglich geworden, dass Angehörige verschiedener Bekenntnisse in der staatsrechtlichen Einheit des "Römischen Reiches" miteinander auszukommen hatten.
Gab es im 16. Jahrhundert verschiedene Ansätze, die auf die Gewährung echter Toleranz hinausgelaufen wären, so hat die ideologische Überhöhung des landesfürstlichen Absolutismus gegen Ende dieses Jahrhunderts - und bis weit in das 18. Zentenarium hinein - diese Ansätze zu keinem vollen Durchbruch kommen lassen, vielmehr in der Zeit nach 1730 sogar noch zu einer neuen Steigerung der - nunmehr eher staatspolitisch gewerteten - Absolutheit einer Konfession geführt.
Das besondere Problem im Römischen Reich ergab sich aus der sich eben im 16. Jahrhundert ausbildenden abgestuften Souveränität innerhalb seiner Grenzen. Die neuzeitlichen Staaten bildeten sich nicht nur um das Reich, sondern auch innerhalb desselben aus. So zeigte sich spätestens seit dem Reichstag zu Speyer 1529, dass die Territorien die Religionsfrage als ihre Kompetenz betrachteten. Gerade auch die Versuche, eine neutrale Politik zu verfolgen und sich keiner der beiden Religionsparteien anzuschließen, zeigen dieses Faktum mit großer Deutlichkeit. So waren auch die ersten Lösungsversuche dadurch gekennzeichnet, dass man die Religionsfrage - nicht zuletzt unter dem Druck anderer Probleme - vorerst "suspendierte", also für das Reich nicht entschied und damit den Reichsständen - als den werdenden Ländern - das ius reformandi überließ. Und als es dann 1555 zur ersten definitiven Lösung kam, bestand diese auch darin, dass man die beiden Konfessionen - der Calvinismus blieb vorerst unberücksichtigt - auf der Ebene des Reiches als paritätisch und gleichberechtigt ansah, innerhalb der Territorien freilich an der konfessionellen Einheit festzuhalten gewillt war. Das "beneficium emigrandi" bot sich als Ausweg für jene, die nicht dem Bekenntnis des Landesherrn beitreten wollten beziehungsweise aus Gewissensgründen nicht beitreten konnten.
Dabei blieb die grundsätzliche Wertung der anderen Konfession negativ, das jeweils eigene Selbstverständnis exklusiv und absolut. Das hatte natürlich zur Folge, dass nunmehr ein Kampf um die Territorien in der Weise einsetzte, dass man den Landesherrn zur Bekehrung bewegen wollte. Derartige Bekehrungen - besser wäre wohl das Wort "Religionswechsel" - gab es bis in die Anfangsjahrzehnte des 17. Jahrhunderts etliche; aus österreichischer Sicht war wohl die des Pfalzgrafen an der Donau (Pfalz-Neuburg) im Jahre 1613 die wichtigste.
Diese Jahrzehnte der Ausbildung der Konfessionen standen seit jeher in der Wertung durch die Geschichtsschreibung stark unter dem Vorzeichen der Position des jeweiligen Betrachters. Sogar in der Terminologie spiegelt sich das wider. Während man ziemlich unbestritten - wenigstens durch längere Zeit - die Periode zwischen Thesenanschlag und Religionsfrieden (1517-1555) als die der Reformation bezeichnete und damit zugleich auf die Geschichtsmächtigkeit der gleichbezeichneten Bewegung hinwies, ergab sich für die Zeit darnach seit Leopold von Ranke die Negativbezeichnung "Gegenreformation". Es war nicht erst das Anliegen der katholischen Geschichtsforschung des 20. Jahrhunderts, auf die sich in Reaktion auf die reformatorische Bewegung entfaltenden Kräfte einer innerkatholischen Erneuerung hinzuweisen. An die Stelle des negativ besetzten Begriffes aus der protestantisch verankerten Schule Rankes suchte man das Wort "katholische Reform" zu setzen.
Ohne dass die Bedeutung dieser Bewegung bestritten würde, ist doch darauf hinzuweisen, dass es eine Bekämpfung der durch die reformatorische Kirche gewonnenen Positionen und Institutionen gegeben hat, die durchaus zu Recht die Bezeichnung "Gegenreformation" verdienen dürfte. In diesem Sinne ist das Wort im Titel dieses Beitrags zu verstehen.
Dabei ist einsichtig, dass sich auch bei der sogenannten Durchsetzung der Reformation verschiedene Vorgänge miteinander vermischten. Einerseits erwies sich die reformatorische Bewegung schon deshalb als eine dem vortridentinischen Katholizismus überlegene Kraft, weil für sie nicht die äußerliche Teilnahme am kirchlichen Kultus, sondern die persönliche Glaubensentscheidung, das "Bekenntnis", primäre Bedeutung hatte. So vermochte sie Menschen aller Schichten anzusprechen und zu überzeugen. Diejenigen von ihnen, die obrigkeitliche Verantwortung innehatten, wussten sich - ähnlich wie im Mittelalter - verpflichtet, die ihnen zustehenden Rechte zur Förderung und institutionellen Festigung der reformatorischen Bewegung einzusetzen. So greifen "Reformation von unten" und "Reformation von oben" ineinander, wobei freilich nicht übersehen werden darf, dass durch lange Zeit von Seite derjenigen, die dieser Bewegung ablehnend gegenüberstanden, der geistliche Charakter der Bewegung nicht genügend erkannt wurde. Der Regensburger Fürstentag meinte 1524 durchaus, mit jenen Mitteln, die bereits in den beiden Jahrhunderten vorher als Reformmaßnahmen angewandt wurden, der lutherischen "Gefahr" begegnen zu können. Auch Ferdinands I. Betreiben einer Zulassung des sogenannten "Laienkelches~, das zuletzt das Konzil von Trient beschäftigte, ist auf diesem Hintergrund zu sehen. Selbst Maximilian 11., dessen Regierungszeit durchaus schon von Regungen der Gegenreformation begleitet wurde, meinte noch durch die Schaffung eines Ritus, der beiden Religionsparteien genehm sei, das Problem der Kirchenspaltung lösen zu können.

II.

Die Nachrichten von der durch den Wittenberger Augustinermönch ausgelösten religiösen Bewegung drangen sehr bald auch nach Österreich, also in die habsburgischen Erbländer, in denen der Kaiser zugleich Landesherr war, wenngleich der Erbe Maximilians I., Karl V., diese Länder durch seinen Bruder, Erzherzog - dann König - Ferdinand, verwalten ließ. Auf vielen Wegen und Kanälen kam es dazu, dass sich die bekannt gewordenen Anschauungen Luthers mit der Unzufriedenheit mischten, die in diesen Ländern in bezug auf die kirchlichen Verhältnisse nicht fehlte. Durch persönliche Bekanntschaft, welche durch Studierende und Adelige vermittelt wurde, durch Bücher, die ins Land gebracht oder hier nachgedruckt wurden, wurde eine Bewegung angestoßen, die rasch ein beachtliches Ausmaß annahm. Dabei kann nur in den seltensten Fällen von einer genuin "reformatorischen" Position gesprochen werden, zumal viele theologische Fragen angesprochen wurden, die keineswegs abschließend dogmatisch fixiert waren. Und selbst wenn es frühere dogmatische Festlegungen gab, meinte man diese doch in den neuen Denkstilen (Nominalismus und Humanismus) einer neuen Interpretation fähig zu sehen. Noch ging es in den meisten Fällen nicht um die Bildung von Konfessionen, sondern um die Erneuerung der ganzen Kirche, nicht so sehr durch strukturelle Reformen, sondern durch eine neue Spiritualität.
Man sprach zwar gelegentlich von einer "neuen Religion", von der lutherischen Ketzerei und von "Reformation", insgesamt war aber das alles noch weithin unabgeklärt und in seiner Bedeutung nicht erfassbar. Immerhin suchte Ferdinand I. mit seinen Nachbarn, Bayern und Salzburg, durch ein konkretes Übereinkommen dem Wormser Edikt gegen Luther und seine Anhänger Geltung zu verschaffen. So kam es zu den ersten Abwehrmaßnahmen, wobei vereinzelte frühere Bemühungen nunmehr koordiniert wurden. Die Bemühungen sollten einerseits wohl auf eine Stärkung der bestehenden kirchlichen Verhältnisse hinauslaufen, enthielten aber doch vorzugsweise Maßnahmen der Abwehr.
Ferdinand I. hatte bereits am 12. März 1523 in einem Mandat alle Obrigkeiten und Untertanen seiner Länder unter Hinweis auf die Bannbulle über Luther und das Wormser Edikt gewarnt, lutherische Bücher anzuschaffen oder zu besitzen. Nun erfolgte in rascher Folge die Erlassung zahlreicher Mandate und Patente, die eine Abwehrfront gegen die "falschen Secten und Lehren" bilden sollten. In ihnen ging es - wie die Überschrift der Publikation der Beschlüsse des Regensburger Tages lautete - um "Ordnung und Reformation zur abstellung der Mißbrauch und aufrichtung eines erbarn wesens und wandels in der geistlichkeit", um die Verurteilung aller derer, die falschen Lehren anhingen, schließlich sogar um die Einrichtung einer Bücherzensur. Dabei erfolgte eine Qualifikation der reformatorischen Bewegung in absolut negativer Weise: "solch valsch leeren dem heiligen Evangelium, unserm lang hergebrachten löblichen Glauben, Ordnung und Aufsatzung der christlichen Kirchen zuwider, auch zu nichts anderem denn erstörung der ainigkeit, verachtung der Ober- und Erbarkaiten, ungehorsam, aufrur, empörung, plutvergiessen und beschließlichen zu allem abfaal, unrat und ubel diennend." Die in diesen Mandaten und Patenten angedrohten Strafen erreichten ein eigentlich groteskes Ausmaß und standen in einem merkwürdigen Missverhältnis zur Möglichkeit, diese Strafen auch zu vollziehen. Freilich war der Landesherr mangels eigener Behörden im lokalen Bereich auf die Mitwirkung der Stände angewiesen. Und schon seit 1524 zeigte sich, dass die adeligen Stände und der Landesfürst in der Religionsfrage nicht einer Meinung waren. So stand gegen die Treuepflicht der Edelleute, die sie bei der Erbhuldigung gelobt hatten und die sie zur Publikation und Anwendung der landesfürstlichen Patente nötigte, die Gewissenspflicht, die auch im Abschied des ersten Speyerer Reformationsreichstages von 1526 ausdrücklich - allerdings nur für die Reichsstände - anerkannt worden war und die diesen Gehorsam in entscheidender Weise einengte.
Der Landesfürst war allerdings bemüht, wenigstens einige Exempla zu statuieren. Diese sollten unter Beweis stellen, dass es ihm ernst um die Sache war. Ähnlich gingen auch die benachbarten geistlichen Fürsten vor. So sind die Verhaftungen, Verurteilungen und Hinrichtungen von Georg Schärer in Radstadt, von Kaspar Tauber in Wien und von Leonhard Käser in Pass au (Schärding) zu sehen.
In ihnen spiegelt sich gleichzeitig auch etwas von der Vielfalt und Uneinheitlichkeit dieser frühen reformatorisch-kirchenreformerischen Bewegung. Schärer war Mönch und brachte gewissermaßen die immanente Kirchenkritik der Bettelorden in neuer Weise zur Geltung, Tauber war Bürger in Wien; er war durch Schriften und persönliche Kontakte dazu gebracht worden, eine eigene Position zu überlegen; er war durchaus nicht im engen Sinn des Wortes "Lutheraner". Käser schließlich war Priester, und zwar einer von denen, die theologisch interessiert waren; ein Besuch in Wittenberg klärte seine Position. So ist es auch nicht zu verwundern, wenn Luther vor allem von der 1527 erfolgten Verurteilung und Verbrennung Käsers Kenntnis nahm und die Prozessakten, die ihm zugespielt worden waren, selbst herausgab, und zwar als Beispiel für evangelischen Bekennermut.

III.

Waren es von denen, die sich dem Luthertum anschlossen, nur wenige, die den Tod zu erleiden hatten, so war das bei den Täufern anders. Schon bei Tauber ist gefragt worden, ob er nicht eigentlich Täufer war. Er war es nicht und konnte es im eigentlichen Sinn gar nicht sein; wohl aber hatte er etwas von den schwärmerischen Positionen aufgenommen, die damals am Rande der reformatorischen Bewegung bestanden und für die Namen wie Thomas Müntzer oder Andreas Karlstadt stehen. Am 21. Jänner 1525 fanden in Zürich die ersten Taufen von Erwachsenen statt, wobei die seinerzeit empfangene Kindertaufe als ungültig angesehen und die nunmehrige Erwachsenentaufe auf dem Hintergrund eines neuen Glaubens und echten Bekenntnisses zur Vermittlung des Geistes empfangen wurde. Die von hier ausgehende Bewegung trug von Anfang an stark missionarische Züge, wobei sie innerlich freilich durchaus heterogen war.
In Österreich entstanden noch 1525 durch reisende Prediger kleine Täufergemeinden, die untereinander regen Kontakt hielten, sich aber außerhalb jeder bestehenden kirchlichen Organisation stehend wussten. Unter denen, die als Prediger in diesen Gemeinden hervortraten, war auch Jörg Blaurock, der an der ersten" Wiedertaufe" beteiligt gewesen war.
Anders als bei der lutherischen Reformation vollzog sich die Gründung der Täufergemeinden auffällig. Anscheinend hat die Radikalität der Predigt, die eine Veränderung der Lebensweise und eine andere Einstellung zum gesellschaftlichen Leben zur Folge hatte, das Aufsehen und den Widerstand der Obrigkeiten erregt. Jedenfalls finden sich bereits 1527 die ersten Nachrichten über Verhaftungen und Prozesse gegen Täufer. Im Fürsterzbistum Salzburg kam es am 25. Oktober und am 6. November 1527 zu den ersten Hinrichtungen, wobei die Täufer mitsamt dem Haus, in dem sie eingeschlossen waren, verbrannt wurden.
1528 ist jenes Jahr, in dem Ferdinand I. in seinen Ländern am nachhaltigsten gegen die Täufer vorging. Denn anders als bei den Lutheranern blieb es nicht bei der Statuierung einzelner Exempla, sondern kam es zu einem regelrechten Vernichtungsfeldzug, der nicht zuletzt dadurch möglich wurde, dass auch die wenigen Adeligen, die durch kurze Zeit die Täufer unterstützt hatten, sich nun von ihnen deutlich zu distanzieren suchten.
Dabei blieb es bedeutungslos, ob es sich um Täufer handelte, die der "christlichen Oberigkeit" das Recht auf die Anwendung des "Schwertes" zugestanden, oder nicht. Zu den Führern der ersten Gruppe zählte Dr. Balthasar Hubmaier, der 1527 von Leonhard von Liechtenstein, bei dem er einige Zeit Zuflucht gefunden hatte, an die Regierung ausgeliefert und nach einer Haft auf Kreuzenstein am 10. März 1528 in Erdberg hingerichtet wurde.
Es erscheint nicht notwendig, alle Verfolgungen anzuführen. Einerseits gelang es den Behörden, bestehende Gemeinden zu zerstören, andererseits bildeten sich immer wieder kleine Gruppen von Täufergemeinden oder reisten Prediger durch die Länder. Dabei hatte sich nach 1530 der Schwerpunkt der Täuferbewegung nach Tirol verlagert, wo vor allem die Südtiroler Täler Kerngebiete der Gemeindebildung darstellten. Die Tiroler Regierung war jedoch bestrebt, den Gemeinden ein Ende zu bereiten, und griff neben der blutigen Verfolgung zum Mittel der Abschiebung. Fast korridorartig wurden sie nach Mähren vertrieben, wo 1535 ihrer 5000 festgestellt wurden. Nach einer Periode der Verfolgung vermochten sie dort bis ins 17. Jahrhundert in ihren abgeschlossenen Gemeinschaftssiedlungen ("Haushaben") zu verbleiben, während sie in den anderen habsburgischen Ländern nach wie vor erbarmungslos aufgespürt, inhaftiert, vertrieben oder getötet wurden. Natürlich erhebt sich die Frage nach den Motiven für diese unnachgiebige Verfolgung, bei der es zwischen dem katholischen Landesfürsten und den evangelischen Ständen zwar Unterschiede in der Intensität, keineswegs aber in den Grundsätzen gegeben haben dürfte. Wahrscheinlich trafen mehrere Momente zusammen: zunächst war es die Angst vor den politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen bei einer Durchsetzung der täuferischen Lebensform, dazu kam die rational nicht erklärbare Abscheu vor dem Zusammenleben mit Ungetauften, die Einfallspforte des Teuflischen sein konnten, und schließlich kamen noch Neidgefühle angesichts der wirtschaftlichen Tüchtigkeit und Misstrauen wegen der Abschließung hinzu. Diese nichttheologischen Gründe sind vermutlich wichtig gewesen, denn die Frömmigkeit und die Theologie der Täufer haben wohl kaum zum Entstehen dieses Hasses beigetragen.
Aus den Verhörprotokollen der Täufer geht in der Regel ein imponierendes Maß an Festigkeit im Glauben, eine große Menschlichkeit und ein immenses Wissen um religiöse Fragen hervor, die diesen im Sinne des Humanismus "nicht gebildeten" Menschen eignete. Dass das Blut der Märtyrer der Same der Kirche sei, erfuhren diejenigen, die die Täufer auszurotten versuchten. Dabei kam es - von den Huterischen Brüdern in Mähren abgesehen - eigentlich nirgendwo zu einer bleibenden Ordnung täuferischer Gemeinden. Schuld daran waren sowohl die immer wieder hereinbrechenden Verfolgungen wie auch die bewusste Ablehnung, das Ereignis der Glaubenswirklichkeit durch eine Institutionalisierung bewahren zu wollen.

IV.

Den ferdinandeischen Bemühungen war es wohl gelungen, eine frühe Institutionalisierung der lutherischen Bewegung zu verhindern, wobei ihm möglicherweise die Türkenkriege zu Hilfe gekommen sind; es war ihm jedoch nicht gelungen, das reformatorische Gedankengut von seinen Ländern fernzuhalten und den Zerfall der bestehenden kirchlichen Einrichtungen aufzuhalten. Auflösungstendenzen auf der einen Seite entsprachen Tendenzen der Verfestigung auf der anderen Seite, wobei eindeutig ist, dass seitens der Stände eindeutige Absichten im Blick auf "die Freigabe der Augsburgischen Confession" (1541) gegeben waren beziehungsweise nach dem Augsburger Religionsfrieden sogar die Zuerkennung eines analogen ius reformandi von ihnen verlangt wurde. Ferdinand I. lehnte das zwar ab, konnte aber eine schrittweise Ausbildung evangelischer Kirchenwesen in seinen Ländern nicht verhindern.
Dann freilich sahen sich seine Söhne Maximilian 11. und Karl genötigt, den Ständen Privilegien zur Organisation dieser Kirchenwesen zuzugestehen beziehungsweise in diesen Privilegien eine Art Duldung reformatorischer Predigt und Kirchlichkeit zu gestatten.
Dabei scheinen die Absichten der beiden Habsburger verschieden gewesen zu sein. Während der Kaiser (Maximilian 11.) durchaus gewillt war, das einzuhalten, was er in der Religionskonzession und - für Niederösterreich - in der Assekuration gewährt hatte, war Karl anscheinend gewillt, seine sehr sorgfältig formulierten Zugeständnisse, über deren Text es auch noch Unklarheit und Meinungsverschiedenheiten zwischen seinen Behörden und den Ständen gab, als Basis für eine allmähliche Aufhebung der reformatorischen Kirchenwesen zu verwenden.
In den habsburgischen Donauländern brachten der Tod Maximilians 11. und der Regierungsantritt Rudolfs 11. im Jahre 1576 die ersten Bemühungen der vom Landesfürsten getragenen Gegenreformation, in den Alpenländern setzte diese in Krain mit dem Jahre 1578 ein.
Voraussetzung dafür war einerseits ein wenigstens in Ansätzen spürbarer innerer Aufschwung der "alten Kirche" und ihrer Institutionen beziehungsweise eine deutlich gewordene Abgrenzung dessen, was katholisch war; auf der anderen Seite bot die Eigenart des reformatorischen Kirchenwesens die Möglichkeit, wirksame Maßnahmen einzuleiten. So kam es zwar zu keiner" Verfolgung" der Evangelischen, aber zu einem Bündel von Handlungen, die insgesamt die Institutionen der Protestanten erschüttern oder zerstören sollten.
Möglichkeit dazu bot zunächst die unklare Rechtsgrundlage, und zwar sowohl in den ehemals maximilianeischen wie in den innerösterreichischen Ländern. Den Adeligen war auf ihren Besitzungen die Möglichkeit gegeben worden, Gottesdienste zu halten. Vogteirechte, Patronatsrechte und grundherrliche Besitzrechte befanden sich nicht selten in verschiedenen Händen - daraus allein folgten Auseinandersetzungen und Schwierigkeiten; das Zusammenwirken laikaler und presbyterialer Einrichtungen bei der Besetzung von Benefizien führte ebenfalls zu Meinungsverschiedenheiten. So bekamen Rechtsstreitigkeiten, die es immer gegeben hatte, auf einmal eine geistliche Bedeutung und wurden Teil des konfessionellen Kampfes. Der von Rudolf II. zum Generalreformator ernannte passauische Offizial bei Maria Stiegen in Wien, Melchior Khlesl, entwarf das Programm für die Vorgangsweise: die Rechtspositionen sollten erschüttert, die Anhänger des Protestantismus sollten eingeschüchtert und alle angeblichen oder wirklichen Überschreitungen der landesfürstlichen Privilegien sollten geahndet werden. Wichtig war dabei, so viele wie möglich von den Prädikaten zu vertreiben. Beschuldigungen, dass sie nicht die Confessio Augustana invariata verträten, konnten dabei helfen ebenso wie die bereits erwähnte Ausnützung von Streitigkeiten um Patronatsrechte. Und schließlich sollte man sich darum kümmern, möglichst viele der führenden Evangelischen zu einer Umkehr und Konversion zu bewegen.
Zunächst waren die Mittel, die Khlesl zur Verfügung standen, bescheiden; auch die ihm von katholischer Seite zukommende Unterstützung war nicht eben nennenswert; er konnte seine Mittel aber gezielt und gesammelt einsetzen, während die Evangelischen unter sich durchaus nicht einig waren.
Theologische Streitigkeiten, unter denen die Auseinandersetzung um die "Erbsündenfrage", der sogenannte flacianische Streit, besonders wichtig war, grundherrlicher Egoismus, der den Landtag als coetus vocatorum nicht selten in seinen religionspolitischen Entscheidungen lahmlegte, eine den Gehorsam gegenüber dem Landesherrn einseitig betonende Theologie und das Fehlen so gut wie jeder über Pfarre und Herrschaft hinausreichenden kirchlichen Organisation mit verpflichtendem Charakter begünstigten die Angriffe der Gegenreformation. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass die Zusammenarbeit der Stände über die Landesgrenzen hinaus vorerst nur in Ansätzen geschah, während die Landesfürsten doch wenigstens Ländergruppen verwalteten und daher auch über die einzelnen Länder hinaus ihre Maßnahmen zu koordinieren vermochten. Erzherzog Karl erfreute sich außerdem der Unterstützung und Beratung durch seine bayrischen Verwandten.
So kam es tatsächlich in allen habsburgischen Ländern relativ bald zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Institutionen des evangelischen Kirchenwesens und zur teilweisen Ersetzung derselben durch katholische Einrichtungen. Das war im Hinblick auf das sich eben erst voll ausbildende und im Bewusstsein der Laien fest werdende konfessionelle Bewusstsein nicht ohne Bedeutung.

V.

Karl konnte in Innerösterreich zwar durchaus Erfolge seiner Bemühungen feiern und durch die Ausweisung von Predigern und politisch Tätigen, durch die Errichtung eines Jesuitengymnasiums, das 1587 zum "Archigymnasium", also zur Universität erhoben wurde, die evangelischen Stände in eine deutliche und ohnmächtige Rückzugsposition bringen, die Zerstörung des Kirchenwesens gelang ihm jedoch nur in Krain. Auch die 1587 errichtete "Reformationskommission" vermochte vorerst nur begrenzte Erfolge zu erzielen.
Freilich arbeitete die Zeit einerseits für den katholischen Landesfürsten und seine Bestrebungen, brachte aber andererseits eine ständig deutlicher werdende Verfestigung des konfessionellen Bewusstseins mit sich, was die Bemühungen zur Erhaltung des evangelischen Kirchenwesens immer schwieriger machte beziehungsweise zum Konflikt drängte.
Der frühe Tod Karls und die Frage der Erbhuldigung für den vorerst noch minderjährigen Erzherzog Ferdinand schob diese Auseinandersetzung zunächst etwas hinaus. Am 12. Dezember 1596 huldigten die steirischen Stände, am 28. Jänner 1597 die Kärntner, wobei es zu keinen Erklärungen des Landesherrn in der Religionsfrage kam. Am 13. September 1598 wurde vom Landesfürsten befohlen, das evangelische Ministerium in Judenburg und Graz einzustellen, am 24. September wurde die Ausweisung der Prediger und Schulmeister binnen acht Tagen verfügt. Am 21. Juli 1599 erschien dann die - mit 23. April datierte - "Hauptresolution", die die Rekatholisierung des Landes, die Reaktivierung der Reformationskommission, und zwar unter der Leitung des Seckauer Bischofs Martin Brenner, und die Ausweisung oder Bestrafung der Halsstarrigen verfügte. Das Wirken der Reformationskommission hat Grete Mecenseffy knapp und eindringlich beschrieben:
"Am 14. Oktober 1599 begann die Reformationskommission in Leoben ihr Werk. Sie war von zwei Fähnlein Soldaten begleitet. Ihren Weg kennzeichnen ausgeraubte Pfarrhäuser, niedergetretene Friedhöfe, geplünderte und zerstörte Kirchen - auch die St. Salvatorkirche der Hoffman beim Schloss Thalhof, deren Inschrift lautete 'Preces et lacrimae sunt arma huius ecclesiae', wurde ein Raub der Flammen. Der Widerstand der Bergknappen in Eisenerz wurde mit Gewalt gebrochen, die Rädelsführer wurden gefangen nach Graz abgeführt, wo sie ihrer Verurteilung entgegensahen. Durch das obere Murtal, das Ennstal und das Mürztal zog die Kommission. Am 11. 11. 1599 kam sie nach Schladming, wo ein so verdienter Mann wie der Gewerke Hans Steinberger, einer der erfolgreichsten Bergingenieure der Zeit, der von Tirol nach der Steiermark gekommen war, auch nicht der Einkerkerung entging, weil er sich geweigert hatte, den Eid auf das katholische Bekenntnis zu leisten."
Natürlich war das Ziel der Kommission nicht die Vertreibung der Menschen, sondern ihre Bekehrung. Dazu mussten freilich wenigstens die Bücher brennen; am 8. August 1600 wurden allein in Graz acht Fuhren mit etwa 10.000 Bänden verbrannt. Dazu mussten aber vor allem die Prediger und Schulmeister verfolgt werden. Zunächst gelang es einzelnen, sich noch unter dem Schutz des einen oder anderen angesehenen Edelmannes eine Zeit im Lande zu halten; das Schicksal des Peter Faul Zahn, der sich dem Brauch der Zeit entsprechend "Odontius" nannte, zeigt aber, dass dieser Schutz angesichts der Absichten des Landesherren kaum ausreichte.
Weil ein einzelnes Schicksal schlaglichtartig die Situation aufzuzeigen vermag und erheblich einprägsamer ist als die bloße Nennung von Zahlen, soll "der Fall Odontius" hier ein wenig ausführlicher dargestellt werden. Zahn war Schlossprediger der Witwe des Pankraz von Windischgräz auf Schloss Waldstein bei Übelbach. Er sollte auch nach dem Tod seiner Patronin dort verbleiben. Am 16. Nov. 1600 und dann am 1. März 1601 war den Predigern in der Steiermark jede Tätigkeit untersagt worden beziehungsweise war ihnen bei Leibes- und Lebensstrafe das weitere Verbleiben im Lande untersagt worden. Odontius war einer der wenigen, die vorerst bleiben konnten. An ihm sollte darum ein Exempel statuiert werden. Am 20. April 1602 wurde durch ein Fähnlein Soldaten unter dem Kommando des Grazer Schlosshauptmannes das Schloss Waldstein regelrecht gestürmt und Odontius gefangen nach Graz abgeführt. Obwohl die evangelischen Stände mehrfach zugunsten Zahns intervenierten, kam es nicht nur zur kurzzeitigen Verhaftung der jungen Herren von Windischgräz, sondern auch zur Einleitung eines Verfahrens gegen Odontius. Freilich suchte man zuerst ihn zur Konversion zu bewegen. Als das trot7. des Einsatzes besonders geschulter Männer nicht gelang, wurde Zahn durch das Grazer Stadtgericht im Juni 1602 zum Tode verurteilt. Nach neuerlichen Bemühungen um eine Bekehrung wurde durch den Erzherzog am 29. Juli 1602 die Strafe "gnadenhalber" in die des Galeerenruderns umgewandelt. Odontius wurde im offenen Wagen als besonderes Beispiel der Verworfenheit von Graz abtransportiert; am 5. Aug. 1602 gelang ihm in Senosetsch, schon nahe bei Triest, die Flucht. Trotz intensiver Fahndung wurde er nicht wieder gefangen und konnte in seine Heimat Sachsen flüchten. Die Bestrafung des Bewachungspersonals zeigt, dass die Flucht keine abgekartete Sache gewesen ist. Im Urteil des Erzherzogs wird als Grund für die Bestrafung angegeben: ketzerische, böse Reden, die er entgegen dem landesfürstlichen Befehl gehalten habe und wodurch er den Leuten zu Rebellion und Aufruhr Ursache gegeben habe, vor allem aber Widersetzlichkeit gegen obrigkeitliche Befehle.
So war die Frage der Religionszugehörigkeit endgiltig zu einer moralischen und strafrechtlichen geworden, wobei seitens des Landesfürsten keinerlei Gewissensgründe anerkannt wurden.
Das zeigte sich auch in der Durchführung der Gegenreformation in Kärnten. Am 1. Juni 1600 wurde die Auflösung des evangelischen Kirchen- und Schulwesens in der ständischen Stadt Klagenfurt verlangt; die Prediger sollten ausgewiesen werden. Die Stände antworteten, dass sie selbst die Prediger angestellt hätten, daher auch nur sie berechtigt seien, sie zu entlassen. Es erfolgte zwar keine neuerliche landesfürstliche Anweisung, dafür begann die Reformationskommission am 6. Sept. 1600 in der Krems unter der Leitung von Bischof Martin Brenner und Hans Graf von Ortenburg ihre Tätigkeit im Lande Kärnten. Diese dauerte zunächst rund zehn Wochen, nämlich bis zum 15. Nov. 1600. Begleitet von 300 Soldaten, die unter dem Kommando von Johann Christoph von Frank standen, besuchte die Kommission rund 200 Orte, zerstörte 5 Kirchen, 4 Friedhöfe, 5 Pfarrhäuser, verbrannte an 27 Orten Bücher und vertrieb etwa 30 Prediger und Lehrer. Am Ende dieses "siebzigtägigen Feldzuges" stand die Vernichtung des evangelischen Kirchenwesens in Klagenfurt. Die ständische Dreifaltigkeitskirche wurde katholisiert.
Die Bevölkerung stand vor dem Zwang, auszuwandern oder sich zu bekehren. In den beiden Jahren 1599 und 1600 sind allein aus der Steiermark etwa 2500 Evangelische abgewandert. Freilich war mit diesen Abwanderungen das evangelische Leben nicht erloschen.

VI.

In den Donauländern kam es während der rudolfinischen Gegenreformation nur ausnahmsweise zu Gewaltmaßnahmen, wie sie etwa die Vorgänge 1579 in Wien darstellen. Am 19. Juli 1579 überreichte eine Gruppe von vierzehn führenden Protestanten dem Statthalter Erzherzog Ernst eine Bittschrift um Zulassung der Augsburgischen Konfession, während zur Unterstützung dieser Bitte fünftausend Wiener vor der Hofburg einen Fußfall taten. Der Schritt erreichte nur eine Verschärfung der Situation und bot der Regierung Gelegenheit zu scharfen Maßnahmen. Die Führer der großen Demonstration wurden verhaftet und des Landes verwiesen. Zur Sicherung der Maßnahmen wurden 300 Soldaten nach Wien verlegt.
Einzelne Prediger wurden inhaftiert und dann des Landes verwiesen. Ärger gab die Durchführung der Gegenreformation in Krems 1584 sowie in der freisingischen Stadt Waidhofen an der Ybbs, wo der ganze Stadtrat verhaftet und erst nach Abschwören wieder freigelassen wurde. Insgesamt verblieb man aber bei den Versuchen, den Spielraum der Protestanten in Religionsangelegenheiten einzuengen.
Erst die Niederschlagung des Bauernaufstandes 1596/97, bei dem religiöse Motive eigentlich nur sehr am Rande wirksam waren, gab dann - vor allem in Oberösterreich - Gelegenheit, Gewaltmaßnahmen in landesfürstlichen Städten durchzuführen. Im Dezember 1597 begannen diese Bemühungen in Freistadt und endeten am 22. März 1600 mit der Ausweisung der ständischen Prediger aus Linz.
Anders als in Innerösterreich wurde aber die Alternative "Bekehrung oder Auswanderung" für die Bevölkerung noch nicht gestellt. Zudem hat der "Bruderzwist in Habsburg" diesen Maßnahmen der Gegenreformation und Verfolgung für eine Zeit ein Ende gesetzt. Zwischen 1609 und 1620 kam es - wieder vor allem in Oberösterreich - zu einer "zweiten Blüte" des evangelischen Lebens.
In dieser Zeit festigte sich das konfessionelle Bewusstsein, auch die theologischen Anschauungen über die Stellung der Stände gegenüber dem Fürsten begannen sich zu ändern; man konnte einigermaßen offen "de resistentia" sprechen. Freilich war auf der anderen Seite der Zug zum konfessionell motivierten landesfürstlichen Absolutismus unverkennbar. Die Frage der religiösen Landeseinheit wurde immer mehr zum politischen Problem. Gehorsamspflicht wurde verlangt, ständische Versuche, mit anderen evangelischen Territorien Kontakte zu knüpfen, wurden als Hochverrat angesehen; das zeigt die tragische Folge der Deutschlandreise des Wolfgang von Hofkirchen im Jahre 1603.
Wie im Reich wurde den Einsichtigen auch in den habsburgischen Donauländern das Kommen einer Auseinandersetzung bewusst. Die Vorgänge 1606/1609 erschienen als ein Vorspiel. Der Aufstand in Böhmen, der Regierungsantritt Ferdinands I I. in der Nachfolge für Matthias 1619, insgesamt also der Ausbruch des "Dreißigjährigen Krieges", stellten dann diese Auseinandersetzung dar.
Der Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzungen, die seit September 1618 auch in den Donauländern stattfanden, bot zunächst keine Gelegenheit zu Verfolgungen, wenngleich natürlich immer wieder Einrichtungen der beiden Kirchen zerstört oder beeinträchtigt wurden. Mit der Schlacht am Weißen Berg am 8. Nov. 1620 wurden diese Kämpfe vorerst beendet. Damit war aber auch die Möglichkeit zum Ende gekommen, dass die Stände die Einrichtungen des Protestantismus schützen konnten.
Am 4. Aug. 1620 hatten die Bayern Linz besetzt, war ihnen doch vom Kaiser das Land ob der Enns verpfändet worden, am 12. Sept. erfolgten die ersten Ächtungen evangelischer Landleute unter der Enns wegen Verweigerung der Huldigung.
Damit war nunmehr die Möglichkeit der Beseitigung der evangelischen Einrichtungen auch in den Donauländern gegeben. Freilich konnte man nur Schritt für Schritt vorgehen. In den Herrschaften der geächteten Edelleute wurden die evangelischen Pfarrer durch die kaiserlichen Kommissäre entfernt; als neue Herrschaftsbesitzer wurden fast ausschließlich Katholiken akzeptiert. Insgesamt ging man aber - möglicherweise auch wegen des ja noch nicht beendeten Krieges - vorerst mit Zurückhaltung vor. So vermochten die ständischen Einrichtungen des Religionswesens in Linz noch bis zum Herbst 1624 zu arbeiten.
Erst die kaiserlichen Patente vom 20. Aug. und 4. Okt. 1624 verfügten die Ausweisung aller Prediger und Schulmeister aus Oberösterreich. Eine bereits seit Februar bestehende Reformationskommission nahm die Reformation der Städte vor, wobei es wieder zum Abzug einer erheblichen Anzahl von evangelischen Bürgern kam.
Problematischer wurde die "Reformation des flachen Landes", vor allem die Ersetzung der Prediger durch - zum Teil aus Italien kommende - Priester, die den Unwillen der Bauern auslösten. Am 11. Mai 1625 kam es in Frankenmarkt zu jenem Vorfall, der auf dem Hintergrund der allgemeinen Unzufriedenheit (auch mit der bayrischen Besatzung, die indessen auf die Religionsfrage nur geringen Einfluss nahm) den Anfang jener Widerstände bildete, die - verstärkt durch das Reformationspatent des Kaisers vom 10. Okt. 1625, das die Konversion bis Ostern 1626 vorschrieb - zum Bauernkrieg des Jahres 1626 führten.
Dieser Krieg führte zu einem ungeheuren Aderlass an evangelischen Bauern; es waren sicher 10.000 Tote zu beklagen. Damit war aber die Grundlage für den Weiterbestand eines evangelischen Kirchenwesens im Land ob der Enns weithin nicht mehr gegeben. Auswanderung - vor allem aus dem Mühlviertel und Machland - lösten die letzten Reste der Organisation auf. Am 22. April 1627 wurde der Adel aufgefordert, binnen drei Monaten zu konvertieren oder das Land zu verlassen.
Die noch vorhandenen Protestanten konnten ihre Überzeugung nur mehr losgelöst von ecclesialen Institutionen ausüben, außerdem war jedes evangelische exercitium verboten. Die Zeit des Kryptoprotestantismus begann.

VII.

In Kärnten und der Steiermark hatte sie bereits begonnen. Die "Feldzüge des Glaubens" von 1599 und 1600 waren nur zum Teil erfolgreich gewesen, auch die seitherigen Maßnahmen hatten trotz zahlreichen Ausweisungen und Zwangsmaßnahmen noch zu keinem überzeugenden Ergebnis geführt. Am 26. April 1625 wurde daher die Reformationskommission für Innerösterreich "erfrischt", die unverzüglich mit Maßnahmen, wie Beschlagnahme von Büchern, Verhängung von Geldstrafen, Ausweisung von Predigern und solchen Bürgern beziehungsweise Bauern oder Beamten, die als "Rädelsführer" galten, sowie Einbringung von Strafgefangenen, begann. Am 1. Aug. 1628 erschien das Generalmandat, das die Adeligen in Kärnten "der Reformation unterwarf". Die Verhandlungen darüber zogen sich zwar noch bis in den Spätsommer 1629 hin; letztlich aber hatten rund 160 Edelleute das Land zu verlassen, der Rest entschied sich für die Bekehrung - über deren Tiefe oder Echtheit freilich damit noch nichts ausgesagt ist.
In Niederösterreich kam es erst wesentlich später zu ähnlichen Ereignissen. Der Grund dafür lag vermutlich darin, dass ein Teil der evangelischen Landstände 1620 die Huldigung geleistet hatte und dafür von Ferdinand II. die Zusicherung erhalten hatte, an ihrem Bekenntnis festhalten zu dürfen; das wurde später sogar durch den Frieden von Osnabrück (Art. V, § 39) bestätigt. Erst 1627 mussten die evangelischen Patronatsherren auf die Pfarren katholische Priester präsentieren, alle Prediger hatten das Land zu verlassen, eine 1630 geplante systematische Bekehrung der Landesbewohner misslang vollständig. So führten erst die Maßnahmen Ferdinands III. nach Ende des großen Krieges zur Rekatholisierung des Landes unter der Enns. Wieder ging es eigentlich nicht um Verfolgung. Die beiden Patente vom 4. Jänner 1652 wollten vielmehr sicherstellen, dass es zu einer tatsächlichen Bekehrung käme, also zu einer Abwendung vom evangelischen Bekenntnis und zu einer möglichst klaren und innerlich deutlichen Zuwendung zum Katholizismus; darin spiegelt sich einerseits die Verschiebung im Verständnis dessen, was Zugehörigkeit zur Kirche bedeutet, andererseits aber auch die Tatsache, dass sich ein deutliches Konfessionsbewusstsein ausgebildet hatte. Freilich nützten alle diese Vorkehrungen nichts, solange nicht auch äußerlicher Druck angewendet wurde. Dieser wieder führte zur Verstellung. Der Abschlussbericht der Kommission für das Wald viertel führt 22.224 Bekehrte an; ein erheblicher Prozentsatz von diesen ist jedoch bereits kurze Zeit später im fränkischen Raum nachzuweisen. Sie hatten durch ihre Scheinbekehrung die Fristen zur Emigration umgehen können und dergestalt vermutlich ihren Besitz nicht verschleudern müssen, wie das die ins Exil Getriebenen ansonsten tun mussten.
Die große "Arbeit" erledigten die 1652 bis 1654 für jedes Landesviertel errichteten Reformationskommissionen, doch zeigte sich, dass es immer noch Reste heimlichen "Ketzertums" gab. So wurde 1657/59 eine Kommission für das ganze Land unter der Enns eingerichtet, und noch 1697 wird von Emigrationen berichtet.

VIII.

Die eigentliche Zeit der Verfolgung der Evangelischen ist die des Geheimprotestantismus. Denn nunmehr wurden wirklich die heimlich noch dem verbotenen Bekenntnis Angehörenden aufgespürt und verfolgt; sie besaßen keinen rechtlichen Schutz, und eine kirchliche Organisation, mit der sie hätten verbunden sein können, bestand ebenfalls nicht mehr.
Die rechtliche Grundlage für diese Verfolgungen lieferte die Tatsache, dass die habsburgischen Erbländer von den Bestimmungen des Westfälischen Friedens über eine Duldung Andersgläubiger ebenso wie die Oberpfalz ausgenommen waren (I. P. 0., V, 35); das, was in den anderen weltlichen Territorien im Blick auf eine devotio domestica oder sogar ein exercitium religionis privatae zugestanden worden war, galt in diesen Ländern nicht. Als Hintergrund für diese Bestimmungen ist natürlich die Vorstellung des kaiserlichen Absolutismus, der in seinen Ländern ohne Einschränkung durchzuhalten sei, anzusehen. Ein anonymes "Memorial in Religionssachen" aus dem Jahre 1622 beschrieb diese Anschauung folgendermaßen: "... halt ich zwar dafür, daß kein vollkommener Herr von Gott in einem Land, wo nicht die katholische, alleinseligmachende Religion vom Landesfürsten und Untertanen zugleich mit Eifer gehalten wird, sein kann."
Auf Grund des Majestätsrechtes musste man also katholisch sein, andere Überzeugungen waren crimen laesae majestatis. Diese Ansicht wurde in einem Gutachten aus dem Jahre 1733 noch einmal ausdrücklich bestätigt.
Indessen begnügte man sich in den habsburgischen Ländern während des ganzen 17. Jahrhunderts damit, entdeckte Protestanten ins Ausland abzuschieben; man wandte also das 1555 erstmals zugestandene beneficium emigrandi an.
Lediglich dort, wo man ertappte Ketzer eines anderen Vergehens, etwa der Störung des Gottesdienstes, überführen konnte, wurden sie auch schon früher als Aufrührer angesehen und dementsprechend bestraft. Das geschah auch dann, wenn ein bereits Ausgewiesener heimlich seine Heimat wieder besuchte und dabei erwischt wurde. Diese Strafmaßnahmen wurden vor allem dort getroffen, wo man nur wenigen Personen ein Anhangen am Luthertum nachweisen konnte. Die Strafen bestanden zunächst in der Konfiskation des Eigentums, dann in Gefängnishaft und im äußersten Fall sogar in der Auslieferung an die Galeeren.
Dort allerdings, wo größere Gruppen von heimlich Evangelischen lebten, wie etwa rund um den Dachstein, konnte aus bevölkerungspolitischen und finanziellen Gründen nicht derart vorgegangen werden. Den Behörden waren derartige Gruppen durchaus bekannt bzw. ahnten sie deren Bestehen; hier suchte man vor allem öffentliche Bekenntnisse zu verhindern und nach Möglichkeit die Leute "mit Glimpf" zu behandeln. Das lief auf ein Leugnen und Negieren des Problems hinaus.
Natürlich standen neben den eigentlichen Verfolgungsmaßnahmen auch solche zur Vorbeugung und für eine mögliche Bekehrung. In der Herrschaft Traunstein (ob der Enns) wurde den Untertanen untersagt, ihren Kindern Lesen und Schreiben beizubringen, weil doch das Luthertum in den Büchern sein Fundament habe. Auch das System der Seelsorge suchte man zu verbessern (Errichtung von Lokalseelsorgestellen, bessere Ausbildung des Klerus), was allerdings nicht immer gelang und nicht den erwünschten Erfolg brachte.
Der Versuch, das heimliche Luthertum durch Konfiskation der Erbauungsbücher schwer zu treffen, gelang schon deshalb nicht, weil die Gruppen der heimlich Evangelischen durchaus Beziehungen und Kontakte zu evangelischen Territorien hatten. Von dort wurden Bücher eingeschmuggelt; auch Prediger kamen für eine gewisse Zeit ins Land, um das Heilige Abendmahl zu feiern und Predigten zu halten. Schließlich ist nicht zu übersehen, dass das Corpus Evangelicorum, also die evangelische Partei der Reichsstände, von sich aus Emissäre zur Erkundung (und zur Stärkung der Geheimprotestanten) ins Land sandte.
Die Ausgewiesenen oder sonst Abwandernden lieferten Berichte über die Verfolgungen in den habsburgischen Ländern. Dasselbe taten jene, die aus beruflichen Gründen (Holzknechte, Viehtreiber) in evangelische Orte kamen. Sie besuchten dort auch die evangelischen Gottesdienste. Zeitweise war es sogar möglich, zur Vornahme von Trauungen ins benachbarte evangelische Ausland zu reisen - natürlich durfte dabei der Grund nicht angegeben werden.
Das alles führte dazu, dass im 18. Jahrhundert die Zahl der entdeckten Protestanten nicht nur nicht zurückging, sondern anwuchs. Daraufhin entschloss sich die Regierung, an die Stelle der Ausweisung die Transmigrierung, also die zwangsweise Verschickung in die östlichen Länder der Monarchie, treten zu lassen. Zunächst war es fast ausschließlich die religionspolitische Überlegung, die bei dieser Umsiedlung im Vordergrund stand; wirtschaftspolitische und bevölkerungspolitische Absichten traten erst später hinzu. Zunächst wollte man nur die Rädelsführer der Salzkammerguter Evangelischen, die sich 1733 gemeldet hatten, strafweise abtransportieren, während die größere Menge sogar für eine Weile das Recht der häuslichen Gottesverehrung zugestanden erhielt. Weil es sich um Anführer handle, so bewies im Jänner 1734 ein Rechtsgutachten, sei der Kaiser nicht genötigt, sie in fremde Länder emigrieren zu lassen. So legte am 9. Juni 1734 von Linz das erste Schiff mit den bisher inhaftierten Personen ab; in Goisern wurde der erste Transport am 29. Juni desselben Jahres zusammengestellt; dieser erreichte nach der Donaufahrt am 29. Sept. Neppendorf bei Hermannstadt.
Während der Regierung Karls VI. und Maria Theresias wurden in 55 Transporten etwa 4000 Personen zwangsweise nach Siebenbürgen gebracht. Lediglich der Salzamtmann Friedrich Graf Seeau ließ die Kinder mit den Eltern "fortschaffen", ansonsten wurden die Kinder, oft sogar auch die Ehegatten, von den Transmigrierten getrennt. Damit wurde die Absicht einer Ansiedlung und des Sesshaftwerdens von vornherein schon wesentlich erschwert. Die Transmigrierten durften in der Regel nicht selbst für den Verkauf ihres Hofes sorgen und konnten auch nur "eine Kisten" an Habseligkeiten mitnehmen.
Unter Karl VI. wurden aus dem Salzkammergut (Herrschaft Wildenstein) in sieben Transporten 624 Personen deportiert, von denen in den ersten achtzehn Monaten nach der Ansiedlung ein Viertel verstarb; den Überlebenden glückte die Schaffung der "Landlergemeinden" Neppendorf und Großau in Siebenbürgen. Aus der Herrschaft Paternion (Kärnten) wurden 1734 bis 1736 in fünf Transporten 180 Personen deportiert; von ihnen verstarb im ersten Jahr rund die Hälfte, der größte Teil des Restes flüchtete in evangelische Länder des Deutschen Reiches.
Während der Regierungszeit Maria Theresias wurden von 1752 bis 1758 (Transmigrationspatent vom 20. Juni 1752) aus Oberösterreich 2042, aus der Steiermark 82 und aus Kärnten 850 Personen nach Siebenbürgen transmigriert; in den Jahren 1773 bis 1776 folgten noch 182 Steirer. Von den Umgesiedelten der maria-theresianischen Periode starb bis 1758 rund ein Drittel, ein Drittel wurde hausansässig gemacht, und ein Drittel verblieb als Tagelöhner in den siebenbürgischen Städten. Aus dieser großen Deportation entstand lediglich die Landlersiedlung in Großpolt, in der die Angesiedelten mit den ansässigen Sachsen zusammen die Ortsbevölkerung bildeten. Die letzten Transmigrierten wurden in einzelnen Orten verstreut angesiedelt. Durch die Transmigrationen gelang es zwar, in einigen (wenigen) Gegenden, wie etwa im Murtal (Murau, Ranten), den geheimen Protestantismus zu verdrängen, insgesamt aber ist das religionspolitische Ziel, die Auslöschung des Kryptoprotestantismus, nicht erreicht worden. Die wirtschaftspolitischen Ziele wurden am ehesten bei der karolinischen Transmigration, die kolonisationspolitischen überhaupt nicht erreicht. Die Jämmerlichkeit und Unfähigkeit der Bürokratie und der Widerstand der sächsischen Nation verhinderten das.
Insgesamt ist es erschütternd, in welch hohem Maße angeblich "vernünftige" Aktionen, die die Erhaltung des "menschlichen Materials" im Staat bezweckten, in Verbindung mit ideologischer Engstirnigkeit aber zu einem Ergebnis führten, das niemand Nutzen brachte, zu den "schwärzesten Kapiteln der Intoleranz in den habsburgischen Ländern" gezählt werden müssen.
Dabei suchte die Kaiserin vor 1752 und auch während der Periode der Transmigrationen auch durch andere Maßnahmen das geheime Ketzertum zu überwinden. In Rottenmann, Judenburg, Kremsmünster und Klagenfurt wurden "Konversionshäuser" eingerichtet, in denen hartnäckige Ketzer in der" wahren katholischen Religion" unterrichtet werden sollten; die Pfarrer in den Dörfern wurden angewiesen, den Akatholiken mit Verständnis zu begegnen. In die Konversionshäuser kamen vor allem schwankende junge Leute und größere Kinder; für die Hartnäckigen, von denen in der Behördensprache "Seductores, Conventiculantes und Relapsi" unterschieden wurde, blieb im wesentlichen die Strafe der Transmigration.

IX.

In der Öffentlichkeit bekannter als die Transmigrationen war die Vertreibung der Evangelischen aus dem Erzstift Salzburg. Durch eine ganze Zahl von Jahrzehnten war es dort zu keiner Verfolgung gekommen; die großen Erzbischöfe von Wolf Dietrich von Raitenau bis Paris Graf Lodron suchten durch geeignete Maßnahmen den Katholizismus zu fördern, ohne ihre Untertanen zu verlieren. Ihnen gelang es auch, den Protestantismus aus dem Nordteil des Erzstiftes zum Verschwinden zu bringen.
Erst unter Erzbischof Max Gandolf von Khuenburg begann die Verfolgung. Er ließ 1684 für die im salzburgischen Teil des Defreggentales entdeckten Protestanten den Ausweisungsbefehl ergehen, wobei er sie der Zugehörigkeit zu einer "neu entdeckten Secte" beschuldigte, die durch den Westfälischen Frieden nicht anerkannt sei. Vom 13. Dez. 1684 bis Ende des Jahres 1685 verließen 621 Talbewohner (davon 51 aus dem Tiroler Anteil) ihre Heimat, wobei sie fast 300 Kinder zurücklassen mussten. Karl Schönherr hat die Wegnahme heimlich mitgenommener Kinder durch die Tiroler Regierung als Vorwurf für sein Drama "Glaube und Heimat" genommen. Bei dieser Wegnahme blieb es nicht, heimlich Zurückkehrende wurden auf die Galeeren verbracht. Bis 1690 gab es jährlich Ausweisungen aus diesem Tal, dann wurde es still - die Auslöschung war gelungen.
Im Jahr 1685 kam es zur Aufdeckung des geheimen Luthertums auf dem Dürrnberg bei Hallein. Die drei Führer der Gruppe, darunter Josef Schaitberger, wurden 1686 durch etliche Wochen eingesperrt. In dieser Zeit versuchte man, sie zur Konversion zu bewegen; als das nicht gelang, wurde über rund 70 Dürrnberger (vor allem Bergknappen) die Landesverweisung ausgesprochen; ihre Kinder mussten zurückbleiben. Schaitberger ging nach Nürnberg, von wo aus er 1691 seinen "Sendbrief" zur Stärkung der noch im Salzburgischen verbliebenen Evangelischen ausgehen ließ und bis zu seinem 1733 erfolgten Tode in vieler Hinsicht für deren Bekenntnistreue zu sorgen suchte.
Diese Ereignisse bildeten lediglich das Vorspiel zur großen Vertreibung der Protestanten unter Erzbischof Leopold Graf Firmian, der von 1729 bis zu seinem Tod im Jahre 1744 dem Erzstift vorstand. Bereits bald nach seiner Wahl berief er Jesuiten zur Bekehrung der Ketzer. Gleichzeitig erfolgten Anordnungen zur Bestrafung der Besitzer lutherischer Bücher, denen durch Hausdurchsuchungen und Durchsuchung von Reisenden Nachdruck verliehen wurde. Die Evangelischen versuchten, das Corpus Evangelicorum von diesen Maßnahmen in Kenntnis zu setzen. Auf dessen Intervention wurde von der erzbischöflichen Regierung unter dem Hofkanzler Hieronimus Cristani von Rall erklärt, es ginge nicht um Religion, sondern um Rebellion. Im Lande selbst traten die Evangelischen aus ihrer Verborgenheit heraus und nahmen Kontakt untereinander auf. Im März 1731 begann eine Reformationskommission unter Cristani ihre Tätigkeit, gleichzeitig trafen sich die Führer der Evangelischen in Schwarzach und beschlossen, sich offen zum Evangelium zu bekennen: Salzlecker-Schwur als Zeichen der Verbundenheit.
Die Reformationskommission konnte 20.678 Personen als evangelisch ausforschen. Der Erzbischof war trotz des kaiserlichen Versuches zur Kalmierung und der Einsprüche evangelischer Staaten entschlossen, die Protestanten des Landes zu verweisen. Den Versuch zur Missionierung lehnte er ab. Am 31. Okt. 1731 (wirklich am 10. Nov.) erschien das Emigrationspatent. Die Unbehausten sollten binnen acht Tagen, die Bauern je nach Besitzgröße innerhalb von einem oder drei Monaten abziehen. Künftighin mussten alle Bewohner des Landes ihr katholisches Bekenntnis durch entsprechende religiöse Handlungen unter Beweis stellen.
Die Fristen des Patentes konnten natürlich nicht eingehalten werden, auch weigerte sich zunächst Bayern, die als Rebellen Bezeichneten durch sein Territorium ziehen zu lassen. Erst am 19. Dez. konnte ein Zug mit etwa tausend Unbehausten salzburgisches Gebiet verlassen; diese Gruppe fand vor allem in Württemberg und in den süddeutschen Reichsstädten Aufnahme. Nach längeren Verhandlungen erließ Friedrich Wilhelm I. von Preußen am 2. Feber 1732 ein Patent, in dem er sich bereit erklärte, die ausgewiesenen Salzburger in seinen Ländern aufzunehmen und ihnen dort eine neue Heimat zu geben. Ein königlicher Kommissarius sollte die Einwanderung organisieren. Von diesem wurde der erste Zug bereits Ende März in Donauwörth übernommen und nach Preußen abgefertigt.
Insgesamt wanderten sieben Züge von Unangesessenen aus dem Erzstift aus, denen 16 Züge von Behausten folgten. Dem ersten konnten sich die bisher Inhaftierten anschließen; der letzte überschritt am 6. Aug. 1732 die Grenzen des Erzstiftes. Der preußische Kommissar übernahm 20.694 Personen, 15.508 davon wurden in Preußen angesiedelt, 508 sind den Strapazen der Reise erlegen, die restlichen fanden anderswo, in der Regel also unterwegs, ihre neue Heimat. Der Augsburger Pfarrer Samuel Urlsperger, der bereits die heimlich Evangelischen unterstützt hatte, vermittelte für eine kleine Gruppe die Ansiedlung in Georgia in Amerika. Im Spätherbst 1732 wanderte eine Gruppe von Bergknappen vom Dürrnberg nach Holland aus; 1733 verließen etwa 700 Bauern mit ihren Familien das Gasteiner Tal.
Das Echo auf diese Maßnahmen war ungeheuer, bis heute ist nicht nur die Menschlichkeit, sondern auch die Rechtmäßigkeit der Vertreibung umstritten. Es besteht an sich kein Zweifel, dass die erzbischöfliche Regierung berechtigt war, diese Maßnahme zu setzen; ob sie damit aber über den Buchstaben des Gesetzes hinaus, dessen Geist entsprechend, handelte, ist jedoch nicht anzunehmen.

X.

Die "scheußlichen Szenen der Intoleranz" sollten nach dem Willen Kaiser Josefs II. ein Ende finden; darum erließ er - auch - sein Toleranzpatent vom 13. Okt. 1781. Damit wurde eine frühere Resolution bestätigt, durch die der Tätigkeit der Reformationskommissionen ein Ende gesetzt wurde. Die Verfolgung der Evangelischen in den österreichischen Ländern hatte ein Ende gefunden.
Aus den Verstecken holten die immer noch an ihrem evangelischen Bekenntnis Festhaltenden die verborgenen Erbauungsschriften heraus, sie sammelten sich in Gemeinden - im Bereich des heutigen Österreich zählt man rund fünfzig" Toleranzgemeinden". Die Verfolgungen hatten wohl starke Wirkungen gezeigt - der Protestantismus ist in Österreich eine Minderheit unter den Christen -, aber doch keine endgültige Auslöschung zu bewirken vermocht.
Der Kardinal von Wien Dr. Theodor Innitzer sprach zwar in den Jahren zwischen 1934 und 1938 noch einmal von einer Zeit der "Gegenreformation", und tatsächlich kam es zu zahlreichen Diskriminierungen der evangelischen Minderheit, am Ende stand damals jedoch kein Sieg dieser zweifelhaften Bemühungen, sondern ein vorläufiger Triumph der kirchenfeindlichen Ideologie des Nationalsozialismus. Die Jahre zwischen 1934 und 1945 wurden von manchen Protestanten in Österreich durchaus mit den Zeiten der Verfolgung des 17. und 18. Jahrhunderts verglichen. Sie brachten aber doch ein neues Gefühl der Verbundenheit unter den Christen der beiden Kirchen, das - trotz vieler Probleme - immer noch anhält, ja sogar im Blick auf die Gespräche über Glaubensfragen noch verstärkt wurde. So ist sowohl der Terminus "Gegenreformation" als erledigt anzusehen wie auch die Zeit der Verfolgung einer Kirche im Vorzeichen des Glaube~s einer anderen Kirche in Österreich vermutlich vorbei.

Literaturhinweise:
Die Geschichte des österreichischen Protestantismus ist durchaus als gut erforscht anzusehen, wenngleich sie immer noch vom Widerstreit der Meinungen erfüllt ist. Dementsprechend ist auch die Periode der Verfolgungen bereits mehrfach dargestellt worden. Der vorliegende Beitrag vermag nur in bescheidenem Maße neue Forschungsergebnisse zu vermitteln; auf weite Strecken muss er sich damit begnügen, Bekanntes zusammenzufassen und große Linien aufzuzeigen.
So erscheint es auch nicht als erforderlich, alle Einzelheiten durch Anmerkungen zu belegen. Vielmehr soll einiges an grundlegender Literatur angegeben werden; im Anschluss daran wird zu den einzelnen Abschnitten neuere Literatur vermerkt.
Grundlegende Literatur:
Hans Eder (Hg.): Die evangelische Kirche in Österreich, Berlin 1940
Georg Loesche: Geschichte des Protestantismus im vormaligen und im neuen Österreich, Leipzig-Wien ³1930
Grete Mecenseffy: Geschichte des Protestantismus in Österreich, Graz-Köln 1956
Gustav Reingrabner: Protestanten in Österreich. Geschichte und Dokumentation, Wien-Köln-Graz 1981
Harald Zimmermann (Bearb.): Die Evangelische Kirche A. u. H. B. in Österreich (= Austria sacra, 1. R., II. Bd., 11. Lief., 1. Teil), Wien 1968

Zu I.
Grundlegend zur Ausbildung der Konfessionen ist Ernst Walter Zeeden: Die Entstehung der Konfessionen, München 1968; neuere Literatur verzeichnet in relativer Vollständigkeit der Katalog "Martin Luther und die Reformation in Deutschland. Ausstellung zum 500. Geburtstag Martin Luthers ...", Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Frankfurt/Main 1983.

Zu II.
Über die Anfänge der reformatorischen Bewegung in Österreich gibt es einige, jeweils auf einzelne Länder bezogene Arbeiten, unter denen die von Karl Eder: Studien zur Reformationsgeschichte Oberösterreichs, I.: "Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung", Linz 1932; II.: "Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns", Linz 1936, hervorragt.
Der Verfasser hat seine Sicht zusammengefasst in Gustav Reingrabner: Über die Anfänge von reformatorischer Bewegung und evangelischem Kirchenwesen in Niederösterreich, in: Unsere Heimat 47/1976, S. 151 ff.
Zu den landesfürstlichen Gegenmaßnahmen auch Gustav Reingrabner: Landesfürstliche Patente zur Reformationsgeschichte, vorzugsweise der des Landes unter der Enns, in: JGPrÖ 95/1979, S. 3 ff.

Zu III.
Leider ist es Grete Mecenseffy nicht mehr möglich gewesen, ihre umfangreichen Forschungen und Quelleneditionen zur Geschichte der Täufer in Österreich (und Südtirol) durch eine zusammenfassende Darstellung abzuschließen. Für das Verständnis des Täufertums wichtig ist ihr Aufsatz "Probleme der Täuferforschung" (1959), wiederabgedruckt in "Evangelischer Glaube und Geschichte. Grete Mecenseffy zum 85. Geburtstag", hgg. v. Alfred Raddatz und Kurt Lüthi, Wien 1984, S. 88 ff. Die vielen Arbeiten der Verfasserin zur Geschichte der Täufer verzeichnen Karl Schwarz - Herbert R. Pelikan in: JGPrÖ 99/1983, S. 33 ff.

Zu IV.
Die Frage der katholischen Reform behandelt Theodor Brückler: Zum Problem der katholischen Reform in Niederösterreich in der 2. H. d. 16. Jh.s, in: Österreich in Geschichte und Literatur 21/1977, S. 152 ff., die rudolfinische Gegenreformation hat ihre beste Darstellung immer noch in Viktor Bibl: Die Einführung der katholischen Gegenreformation in Niederösterreich durch Kaiser Rudolf II., Innsbruck 1900.

Zu V.
Die älteren Arbeiten von Johann Loserth und Paul Dedic sind angeführt in dem Katalog "Graz als Residenz. Innerösterreich 1564-1619, Graz 1964, sowie in dem Ausstellungsführer "Evangelisch in der Steiermark. Glaubenskampf - Toleranz - Brüderlichkeit", Graz 1981.

Zu VI.
Die Literatur zu den Ereignissen in den Donauländern zwischen 1608 und 1620 ist fast unübersehbar geworden. Über Khlesl unterrichtet gut Johann Rainer: Kardinal Melchior Khlesl (1552-1630): Vom Generalreformator zum Ausgleichspolitiker, in: Röm. Quartalssehrift 59/1964, S. 14 ff. Für die späteren Jahre sind wichtig alle Arbeiten von Hans Sturmberger, darunter seine Bücher "Georg Erasmus Tschernembl. Religion, Libertät und Widerstand. Ein Beitrag zur Geschichte der Gegenreformation und des Landes ob der Enns" (Forsch. z. Gesch. OÖ.s), Linz 1953, und "Adam Graf Herberstorff. Herrschaft und Freiheit im konfessionellen Zeitalter", Wien 1976.

Zu VII.
Die Geschichte des Protestantismus im Lande unter der Enns nach 1620 ist noch nicht zureichend erforscht. Wesentlicher Beitrag dazu ist die leider nicht gedruckte Dissertation von Kurt Piringer: Ferdinands des Dritten katholische Restauration, Wien 1950.

Zu VIII.
Die Exulantenforschung leidet immer noch an der Zersplitterung, desgleichen die Erforschung der Zeit des Geheimprotestantismus. Wichtig dazu sind die Forschungen von Paul Dedic, darunter etwa "Der Geheimprotestantismus in Kärnten während der Regierung Karls VI. (1711-1740)" in: Archiv f. vaterl. Gesch. u. Topographie 26/1940. Die Exulantenforschung hat entscheidende Anstöße durch Georg Kuhr erhalten, der nur leider noch keine zusammenhängende Publikation herausgebracht hat; daher vorerst nur" Waldviertier Exulanten in Deutschland" in: Das Waldviertel 25/1976, S. 65 ff.
Hingegen ist die Transmigration nunmehr als ein gut erforschtes Kapitel der Verfolgungen der Evangelischen in den habsburgischen Ländern anzusehen; dies wird dem Buch von Erich Buchinger: Die "Landler" in Siebenbürgen. Vorgeschichte, Durchführung und Ergebnis einer Zwangsumsiedlung im 18. Jh. (Buchreihe der SO-deutschen Histor. Kommission 31), München 1980, verdankt.

Zu IX.
Auch die Vertreibung der Salzburger hat in den letzten Jahren durch Gerhard Florey und Franz Ortner eingehende Darstellungen erfahren, wobei Ortners Buch durchaus als umstritten angesehen werden muss. Zum Verlauf vgl. auch den Katalog "Reformation - Emigration. Protestanten in Salzburg. 2. Landesausstellung ... 1981 ... Schloß Goldegg"; die seitherige Diskussion, an der vor allem Peter Barton mit einer Rezension in JGPrÖ 97/1981, S. 175 ff., beteiligt war, fasst zusammen Peter Putzer: Der konfessionsrechtliche Hintergrund der Salzburger Protestantenemigration 1731/32, in: Österr. Archiv f. Kirchenrecht 33/1982, S. 15 ff.

Zu X.
Es erscheint wohl als überflüssig, zur neueren Geschichte des österreichischen Protestantismus Literatur anzugeben; zum Toleranzproblem nennt die vorhandene Literatur Karl Schwarz: Die Toleranz im Religionsrecht des Hl. Röm. Reiches Deutscher Nation, Wien-Berlin (DDR) 1985.