Von Peter Plaikner
Nichts und niemand wurde und wird derart häufig und schamlos missbraucht wie Gott. Kaum ein Krieg, in dem nicht beide Seiten den himmlischen Beistand beanspruchen. Religion und Konfession dienen bis heute als Tarnung für die grausamsten Auseinandersetzungen.
Dies ist nur einer von vielen guten Gründen für die Trennung von Staat und Kirche, der Menschen- und Gottesorganisation. Als historische Säulen jeden Gemeinwesens beeinflussen sie einander hinreichend. Die sittlichen Standards abendländischer Gesellschaften fußen auf den christlichen Grundlagen. Die wichtigste davon heißt Toleranz.
Europas relativ friedliche Gegenwart ist ungeachtet ihrer Mängel auch ein Ergebnis der Teilung von Glauben und Politik, die ihr religiöses Fundament zu oft mit Stiefeln tritt. Kaum ein Staat hier führt Gott in seiner Verfassung. Kardinal Schönborn versucht, ihn in die künftige EU-Charta hinein zu reklamieren, ohne auf Österreich als Beispiel verweisen zu können. Nur Nationalratspräsident Khol will dies nach Vorbild der Präambel zur Tiroler Landesverfassung ändern.
Doch Österreich ist keine Insel der Seligen. Und Tirol fügt seiner Tradition als ältester Festlandsdemokratie nichts Außergewöhnliches hinzu. Es gibt null Anzeichen dafür, dass unser Zusammenleben durch Gott in der Verfassung verbessert würde. Im Gegenteil: Das Menschenrecht der Religionsfreiheit wäre beschädigt.
Eine EU-Charta, die nicht auf christlicher Tradition basiert, ist denkunmöglich. Europa kann seine Vergangenheit nicht verleugnen. Deshalb benötigt Religion keine eigene Klausel. Denn unsere Tradition damit ist alles andere als vorbildlich. Es reicht, wenn die USA weiterhin Gott bemühen und Kreuzzüge veranstalten.
Letztlich geht es bei dem Vorstoß wohl nur darum, sich von einer muslimischen Gesellschaftsordnung ab-
zugrenzen. Doch das funktioniert nur durch andere Lebenspraxis. Und die Grundlage dafür ist längst festgeschrieben. In der Bibel.
2003-01-23 19:09:27
mit freundlicher Genehmigung des
Autors
Tiroler Tageszeitung 24. Jänner 2003