Annemarie
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Wien, im April 2008
Zurück von der neuntägigen 159. Bosnien-Fahrt mit humanitärer Hilfe möchte ich mich wieder für die vielen Spenden bedanken und ein wenig berichten:
Bosnien ist auch im 13. Jahr nach Kriegsende ein sehr armes Land geblieben, und der Aufbau geht sehr langsam voran. Warum wohl? Da müsste man Wirtschaftexperten und Politiker fragen. Die haben einen anderen Blickwinkel als ich, bin ich doch meist nur bei ganz armen Menschen, oft bei solchen, die keine Möglichkeit haben, sich selbst zu helfen. Der Krieg war vier Jahre direkt im Land, und da wurde nicht nur Land zerstört, auch viele Menschen getötet, und viele Menschen sind heute noch seelisch krank.
Die herrliche Landschaft in Bosnien ist vielerorts vermint, es gibt noch immer viele gesprengte Häuser, die wie Skelette aussehen und auch viele Seelen sind ausgehöhlt.
Viele Straßen, Tankstellen, Banken, Kirchen und Moscheen sind neu gebaut, natürlich auch Wohnhäuser, die aber immer noch zu wenig sind.
Die Arbeitslosigkeit ist noch immer 40%, wobei jeder versucht, etwas „PRIVAT“ zu verdienen. Privatarbeit heißt bei uns Schwarzarbeit, sonst könnten sie nicht überleben.
Eine alleinstehende Frau (sie hat sich von ihrem alkoholkranken Mann getrennt) mit drei Kindern hat bisher vom Straßenverkauf von gebrauchter von uns
mitgebrachter Kleidung überlebt. Jetzt ist dies verboten, und sie hat kein
Einkommen. Es gibt keine Familienbeihilfe oder Sozialgeld für sie. Sie bemüht sich, irgendwo Putzarbeit zu bekommen,
aber das möchten Hunderte in Tuzla.
Und so fragt sie: „Soll ich betteln gehen? Soll ich stehlen? Meine Kinder haben Hunger.“
Hunger!
So könnte ich von unseren 36 Hausbesuchen (5 davon bei Ämtern) von jedem einzeln erzählen, möchte aber lieber von der Freude erzählen, die wir immer wieder erleben, ja wir erleben, nicht nur wir bringen.
Unsere von uns unterstützten Studenten sind sehr fleißig und haben alle Prüfungen gemacht, auch Svjetlana, unsere querschnittgelähmte Psychologiestudentin und einzige Rollstuhlfahrerin auf der Uni in Pale, hat ihre guten Zeugnisse. Leider kann sie die Zeugnisse NUR in kyrillischer Schrift bekommen; ich finde es schade, dass alles Amtliche, so auch die Ortstafeln im serbisch verwalteten Teil (RS) Bosniens für mich sehr schwer lesbar ist.
Dass die Autokennzeichen und die Pässe für die Republika Srpska und die Föderation einheitlich geworden sind und nun auch die einheitliche Polizeireform beschlossen wurde, ist sicher eine sehr positive Entwicklung, die hoffentlich auch bald zu weiteren Gesprächen wegen EU-Annäherung führt. Damit würde die schon lang versprochene Visumpflicht fallen. Wenn wir die Bosnier und die Bosnier uns näher kommen könnten, uns besser kennen lernen könnten, gäbe es keine Ängste.
Im schon lange von uns unterstützten Tages-Therapiezentrum für behinderte Kinder konnten wir die gesponserte Stelle für eine Physiotherapeutin weiter verlängern.
Für 6 Monate € 2085.-, das sind € 347,50 brutto/Monat
€ 200,- Euro
netto/Monat (12 mal im Jahr) Bosnien
€ 1.300,- Euro netto/Monat (14 mal im Jahr) Österreich
1 kg Mehl in Österreich: € 1,- (wie leben wir!)
1 kg Mehl in Bosnien: € 0,60 (wie leben die Bosnier!)
Gespräche mit der Gemeinde Tuzla (Baugrund) und den österreichischen Sponsoren wegen eines Neubaus für das Therapiezentrum gehen weiter, ich bin sehr zuversichtlich.
Dass nun ein Pflegegeld (heißt dort Sozialgeld) für Pflegebedürftige (Behinderte in der Höhe von € 20,-/Monat in der RS und von € 140,- in der Föderation ausgezahlt wird, ist vor allem dem österreichischen Prof. Dr. Martin Salzer zu verdanken, der sich in langen Gesprächen mit zuständigen bosnischen Politikern dafür eingesetzt hat.
Unsere Besuche mit Patenschaftsgeld, Lebensmittel, die ich dort kaufe, und vielen Extras wie z. B. Mietenbezahlung, Heizmaterialkauf, medizinische Hilfe, Hausaufbauhilfe, Haustiere ... sichert vielen Menschen in Bosnien das mühsame Überleben.
Dass mir ein 20-Jähriger heimlich einen Brief zusteckt, in dem er schreibt, ich möge seiner Mutter sagen, dass er sich nach dem Leichtathletik-Training duschen darf und auch Seife verwenden darf, sagt wohl sehr viel über die Armut, die Sparsamkeit auch mit Wasser, bei einer allein stehenden Mutter mit sechs Kinder aus.
Die mir mitgegebenen vielen kleinen gesammelten manchmal schon verwendeten Hotel-Seifen konnte ich übergeben.
Ich danke für jegliche Art von Hilfe: die Spenden von Geld, von Arbeitszeit, von Mitdenken, diesmal auch besonders von meinen Begleitern auf der Reise:
- Gerda Beck vom Inner Wheel Club Wien
- Dr. Werner Biffl mit seinem besonderen Talent bei Verhandlungen mit Amtspersonen, der wohl in Zukunft sehr mit seiner neuen Aufgabe als Vorsitzender des Uni-Rates beschäftigt sein wird
- ich danke Dr. Miroslav Krstic, dem Jungarzt aus Bosnien, der mit Hilfe eines Stipendiums in Wien studiert hat, seine weitere Ausbildung in Deutschland macht und wieder einen Teil seines Urlaubs uns zur Verfügung stand
- ich danke für die Hilfe und gute Zusammenarbeit mit dem österreichischen Militär im Bosnieneinsatz.
Ich wünsche allen einen erholsamen guten Sommer, ich werde zeitweise auf der Frauenalm/Murau auftanken und im September meine nächste Fahrt nach Bosnien machen.
Mit sehr lieben Grüßen
Deine /