Dr. Werner Biffl
Persönliche Anmerkungen zur Bosnienreise vom 3. bis 13. April 2006
Immer wenn ich mit Annemarie Kury in der vorösterlichen Fastenzeit in Bosnien unterwegs bin, denke ich unwillkürlich an das Buch Jesaja, Kap. 58, in welchem der Prophet das „richtige Fasten“, also das Fasten, wie „Gott es liebt“, anspricht:
Fasten, so sagt er in Vers 3 einleitend, ist nicht den Kopf hängen lassen, so wie eine Binse sich neigt, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt.
Nein, Fasten, wie Gott es liebt (s. Vers 7), ist vielmehr:
- die Fesseln des Unrechts zu lösen,
- die Stricke des Jochs zu entfernen,
- an die Hungernden dein Brot auszuteilen,
- die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen,
- die Nackten, die du siehst, zu bekleiden ………
Genau das tut Annemarie in Bosnien unermüdlich nun schon seit 1994 mit großem
Einsatz und Nächstenliebe, mit Anteilnahme und Solidarität, mit Geduld und dem
richtigen Wort zur rechten Zeit. Gestützt auf eine fundierte finanzielle und
materielle Basis eines weit gefächerten Netzwerkes aus vielen Spendern und
Helfern, ermöglicht sie „Auferstehung“ bei vielen hilfsbedürftigen Menschen in
diesem leidgeprüften Land, sodass bei den Menschen wieder „das Licht
hervorleuchten kann, wie die Morgenröte“ und deren „Wunden schneller vernarben“
können (vgl. Jes. 58, Vers 8).
Die beiden Osterkerzen, die wir mitnehmen durften und die von den Schwestern des Klosters St. Gabriel/Pertlstein für Bosnien liebvoll gestaltet worden waren, sind ein schönes Symbol für diese dort vielfältig erlebte Auferstehung. Und die damit verknüpften leuchtenden Augen entschädigten jedenfalls mehrfach für die Mühe, die mancherorts mit dieser Hilfe verbunden war.
Neben diesen beglückenden menschlichen Kontakten hat mich weiters auch
positiv gestimmt, dass
- der Straßenzustand in den Städten deutlich besser geworden ist und vereinzelt
selbst dörfliche Nebenwege schon asphaltiert werden,
- die Ortschaften sauberer werden,
- das Müllproblem langsam angegangen wird, wenn auch noch geordnete Deponien
fehlen und der Müll meist immer noch in Flussnähe wild abgelagert und von
Hochwässern ausgetragen wird, sodass sich die nicht verrottbaren Plastikfetzen
in den Wipfeln der Bäume wieder finden und das Landschaftsbild empfindlich
stören,
- die Häuserruinen deutlich weniger geworden sind ….
Negativ berührt hat mich allerdings, dass
- das soziale Netz in Bosnien trotz aller Bemühungen nicht richtig vorankommt,
viele Menschen keine Arbeit bzw. nach getaner Arbeit keine Pension bekommen und
die gewährten Pensionen meist nur € 50.- betragen, die ein Überleben kaum
sicherstellen, zumal die Lebensmittel soviel wie z.B. in Österreich kosten;
- die Arbeitslosenrate in ländlichen Regionen immer noch bis zu 90% beträgt und
die jungen Menschen von dort abwandern, weil sie keine Zukunftschancen sehen;
- es nach militärischen Angaben rund 650.000 (!) gezählte Minenfelder gibt und
diese Zahl nur rund 60% der tatsächlichen Minenfelder ausmachen dürfte -
Minenfelder bestückt mit Plastikminen, die nur schwer auffindbar und nicht
verrottbar sind;
- sich durch diese Minenfelder Wirtschaft und vor allem der Tourismus in diesem
landschaftlich wunderschönen Land kaum entfalten können ………
Aber trotz dieser Probleme sollte man in Anlehnung an Jesaja nicht den „Kopf hängen lassen wie eine Binse“, sondern Annemarie Kury bei ihrer segensreichen Arbeit weiter mit voller Kraft unterstützen, denn „das Glück der Mitmenschen ist die Ehre Gottes“ (Franz v. Sales).