NIRMEL SEHMEHMEDOVIC

Lebenslauf

Tuzla, 26. September 2005

Mein Name ist NIRMEL SEHMEHMEDOVIC. Als erstes Kind von Ahmet und Refija Sehmehdovic wurde ich am 4. Oktober 1985 in Tuzla hier in Bosnien und Herzegowina geboren. Mein Vater ist gelernter Mechaniker, meine Mutter Refija hat als Näherin in einer Textilfabrik gearbeitet. Beide sind zur Zeit arbeitslos.
Als Frühgeburt verbrachte ich meine ersten Lebensmonate im Inkubator und musste mir meinen Platz unter der Sonne schon früh erkämpfen. Trotz regelmäßiger Kontrollen und Arztbesuche erkrankte ich im Kleinkindalter an Meningitis - noch einmal sollte ich auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod wandeln. Ich überlebte diese schwere Krankheit, muss seit damals aber mit der Diagnose "Cerebralparese" leben.
Sofort nach der Feststellung meiner Behinderung wurden Rehabilitationsmaßnahmen aufgenommen. Damals lebte ich mit meiner Familie in Zvornik und musste täglich nach Belgrad pendeln, wo sich im Institut "Mutter und Kind" Physio- und Ergotherapeuten um mich kümmerten.
Im Alter von sechs Jahren erlebte ich den Ausbruch des Balkankrieges mit. Meine Familie flüchtete zunächst nach Tuzla, anschließend für ein Jahr nach Ljubliana/Slowenien. 1993 gelang uns die Flucht nach Deutschland, wo wir bis 1998 bleiben konnten.
Dort erhielt ich schließlich die Möglichkeit, die Schule zu besuchen, und es gelang mir durch hervorragende Rehabilitationsmöglichkeiten, schnell Fortschritte zu machen. In der Zwischenzeit bekam unsere Familie Zuwachs - meine beiden Geschwister erblickten das Licht der Welt. 1990 wurde meine Schwester Amela und 1995 mein Bruder Adnan geboren, die mein Leben nun mehr als nur bereichern.
1996 wurde ich in Deutschland operiert. Leider brachte der Eingriff kaum Erfolg, und ich bin nach wie vor auf den Rollstuhl angewiesen. Der Rückschlag ließ mich aber keineswegs in Depressionen verfallen. Im Gegenteil, ich habe gelernt, mich zu akzeptieren, wie ich bin. Auch wenn meine Motorik eingeschränkt ist, konnte mich dennoch nichts davon abhalten, zu lernen, alleine zu essen, mich selbständig anzuziehen, den Gang auf die Toilette alleine zu erledigen und - mehr noch - mir Fähigkeiten wie das Arbeiten am Computer anzueignen.
1998 musste ich mit meiner Familie wieder nach Bosnien zurückkehren. Hier in Tuzla habe ich ein Zentrum für Menschen mit besonderen Bedürfnissen namens "Koraci nade" (=Schritte der Hoffnung) gefunden, das mir in den Bereichen der Rehabilitation, Bildung und Sozialisation zur Seite steht. Ich habe viele Freunde im Zentrum gefunden. Auch mein schauspielerisches Talent und meine darstellerischen Fähigkeiten werden hier gefördert.
Die Fortsetzung meiner Schullaufbahn war in Bosnien nicht mehr möglich. Der Besuch einer "normalen" Grund- oder Integrationsschule wäre mit Kosten verbunden gewesen, die meine Eltern nicht aufbringen konnten. Die örtliche Sonderschule ist Gehbehinderten aufgrund baulicher Barrieren nicht zugänglich. Doch es gelang mir, mit Hilfe der Mitarbeiter von "Koraci nade" das nötige Wissen für die Abschlussprüfung der Grundschule (in Österreich Hauptschulabschluss) anzueignen, die ich mittlerweile mit ausgezeichneten Erfolg bestanden habe.
Ich träume davon, ein normales Leben führen zu können. Ich glaube, dass ich imstande bin, einen wertvollen Beitrag zu dieser Gesellschaft zu leisten. Mitleid und Betroffenheit meiner Mitmenschen bringen mich dabei nicht weiter. Was ich wirklich möchte, ist angenommen zu werden, so wie ich bin, und die nötige Unterstützung zu bekommen, um meine Ziele verwirklichen zu können.

Liebe Annemarie,
gerne erzähle ich dir von meinen Wohnverhältnissen:
Ich bewohne gemeinsam mit meiner Familie - meinen Eltern und meinen beiden Geschwistern - eine zu kleine Mietwohnung in Tuzla. Sie befindet sich im Erdgeschoss, Stufen habe ich dennoch zu bezwingen. Bis zur Wohnung zu kommen, ist kein Problem, dies schaffe ich selbstständig. Ab dem Eingang jedoch, bin ich auf Hilfe angewiesen.
Unsere Wohnung ist etwa 50m² groß. Ein großes Zimmer, das mittels Schrank in Schlafzimmer und Küche geteilt ist, ein schmaler Gang und ein Badezimmer, das ist alles. Es ist so schwierig, wenn alles auf einer Stelle ist, du isst dort, du schläfst dort, du hast nur einen Raum zum Leben.
Am Eingang zur Wohnung befindet sich eine kleine Stufe - das heißt Rollstuhl anheben und drüber. Das geht nicht alleine. Die Wohnung selbst ist nicht im geringsten für mich geeignet. Das größte Problem ist, dass ich darin nicht viel mit dem Rollstuhl fahren kann - es ist einfach kein Platz. Für jedes Teil, das ich holen will, bei jedem Gang zur Toilette brauche ich Hilfe.
Badezimmer: Zum Baden benutze ich einen einfachen Plastikstuhl, der in die Badewanne hineingestellt wird. Das Waschbecken würde sich in einer vom Rollstuhl aus erreichbaren Höhe befinden, aber auch im Badezimmer ist kein Platz für einen Rollstuhl.
Toilette: Ich habe einen Rollstuhl mit Schüssel darunter bekommen. Dieser befindet sich im Badezimmer. Alle anderen benutzen die Toilette außerhalb. Die ist aber selbst für Laufende sehr eng.
Die Miete beträgt 180 Mark. Wenn mein Vater die Wohnung nicht bezahlen kann, müssen wir zurück nach Zvornik zu den Großeltern.
Eine Renovierung ist schwierig, da es eine Mietwohnung ist. Ich weiß nicht, ob unser Vermieter dies erlauben würde.
Mein größter Wunsch ist ein eigenes Zimmer. Ich würde auch in unserer jetzigen Wohnung bleiben, wenn ich nur mein eigenes Zimmer hätte. Wichtig wäre mir auch, die Sicherheit zu haben, dass wir in dieser Wohnung für immer bleiben können, auch wenn mein Vater keine Arbeit hat. Ich möchte gerne, dass die Wohnung so groß ist, dass ich mich darin alleine bewegen kann.
Entschuldige die späte Antwort, mein Großvater ist letzte Woche gestorben.
Schreib zurück, ob dir meine Arbeit gefallen hat.

Liebe Grüße, NIRMEL

 

annemariekury@hotmail.com