Annemarie Kury
Gersthofer Straße 93/31
1180 Wien
Tel (01) 478 46 69
Handy: (0664) 170 50 44
e-mail :annemariekury@hotmail.com

Konto: Erste Bank Nr. 348-12598, BLZ 20111

   
Johann-von-Lederwasch-Gasse 18
8850 Murau
Tel.: (03532) 27556

Wien, 10. 10. 2002 

Liebe große Familie der Spender, Helfer, für die Notleidenden in BOSNIEN!

Ein halbes Jahr ist seit dem letzten Bericht vergangen, und ich hätte sehr viel zu erzählen, es hat sich viel ereignet. Es ist aber unmöglich, so viel zu berichten, es ist auch unmöglich die vielen Spender und Helfer namentlich zu nennen. Die Woge der Hilfsbereitschaft zeigt immer wieder, dass sehr viel Verständnis für in Not geratene Menschen da ist.

D A N K E !! Als mir Anfang April 2002 in Tursunovo Brdo, Gemeinde Teocak, Kanton Tuzla, Bosnien, die zweijährige Samra Alic mit ihrer schweren Missbildung der Beine (Knie) mit der Bitte um Hilfe gezeigt wurde, wusste ich auch keinen Rat. In Österreich zeigte ich das Foto Spezialisten, und dann ergab sich eins nach dem anderen: Prof. Dr. R. Graf, Chef am Landeskrankenhaus Stolzalpe /Steiermark, sagte eine Operation zu. Es fand sich eine Lösung für die Finanzierung durch einen großzügigen Sponsor, die Mutter bemühte sich um einen Pass für das Kind und für sich als Begleitung. Die Hürde Visum für die beiden war hoch, aber letztlich auch überwindbar. Am 30. Juni fuhr ich mit einem - wie immer - voll gestopften Auto nach Bosnien. Beim traditionellen Frühstücksplatz Gralla (letzte Raststation vor der österreichisch-slovenischen Grenze) traf ich vereinbarungsgemäß Florian W. mit seinem Auto, gefüllt mit Hausrat, Elektromaterial etc. Unser erstes Ziel war Slavonski Brod, dort über die neue Save-Brücke nach Bosnien, in den serbisch verwalteten Teil Srpska Republika (SR). Erkennbar ist die RS sofort an den für mich sehr schwer lesbaren Ortstafeln in kyrillischer Schrift. Das ist aber nicht der einzige Unterschied zur Föderation. Gravierender sind die noch schlechteren sozialen Verhältnisse gegenüber der ohnehin sehr schlechten in der Föderation. Wir konnten für diese Gegend 54 Ziegen organisieren. Große Freude! (Siehe Bild)

Am 2. Juli 2002 fuhr ich mit der zu operierenden SAMRA, ihrer Mutter Samira wiede rzurück nach Österreich. Nach zehnstündiger Fahrt konnte ich Mutter und Kind zur Aufnahme im Landeskrankenhaus Stolzalpe/Murau übergeben. es war eine gute Fahrt und eine sehr liebevolle Aufnahme. Für die große Knieoperation der kleine Samra waren medizinische Untersuchungen notwendig, die unter anderem eine schwere Eisenmangelanämie und einen Atemwegsinfekt zutage brachten. Nach zwei Woechen Vorbereitungszeit konnten Prof. Dr. Graf und sein Team am 18. Juli das Kind operieren. Die Medien berichteten von der einmaligen Operation (Diagnose: angeblich Kniegelenksluxation, Operation: Rekonstruktion der Kniegelenke, Bandplastik und Stabilisierung). Alle freuten sich über die gelungene Operation, nur Samra konnte ihr Eingesperrtsein in einem Gips vom Nabel bis über die Zehen nicht gleich akzeptieren. Die mit aufgenommene Mutter tröstete die Kleine Tag und Nacht. Aber dann . . . nach sechs Tagen, am 24. Juli bekam die Mutter viel zu früh Wehen und gebar eine kleine Tochter mit 1500g. Im Landeskrankenhaus Leoben/Frühgeborenenstation wurden Mutter und Kind bestens versorgt, zeitweise kam sogar die operierte Samra dazu. Ich selbst war in dieser Zeit immer in Murau/Stmk in meinem Häuschen, bei Tag direkt bei "meinen Patientinnen". dank den Berichten in Fernsehen und Zeitungen kamen laufend Sach- und Geldspenden. Das Land Steiermark übernahm dankenswerterweise die Kosten für den Krankenhausaufenthalt des Neugeborenen. Immer wieder bekam ich in dieser Zeit Anrufe und Briefe von besorgten Menschen aus Bosnien mit der Frage, ob sie etwas für die Hochwasseropfer tun könnten. Sie boten Hilfe mit ihren Händen an.

Am 29. August, also nach insgesamt fast zwei Monaten, konnte ich die Mutter mit beiden Kindern mit dem Rotkreuzauto mit mühsam besorgtem Geburts- und Reisedokument für das Neugeborene (es wog nun 2000 g), in elfstündiger Fahrt nach Bosnien nach Hause bringen. Von so vielen Seiten kam HILFE!!! DANKE!!! Dort erwartete uns die pure Armut. In das kleine Bergdorf Tursunovo Brdo sind Vertriebene nach 9-10 Jahren in die total zuerstörte von Minen gefährdete Siedlung zurückgekehrt. Die Menschen leben in Rohbauten oder Ruinen. Unsere Familie in einem Rohbau 3m x 8m, das sind ein Zimmer 3x3m für das junge Paar, der junge Vater hat einen Oberarmdurchschuss mit Nervenverletzung aus dem Krieg, daher ist die linke Hand nur teilweise brauchbar und seine Frau Samira, mit jetzt zwei Kindern. Im zweiten 3x3m-Zimmer leben die Schwiegereltern, wobei die Schwiegermutter nicht aufstehen kann. Es gibt keine Küche, daher war der Ankauf eines Herdes das Wichtigste. Im vorigen Herbst hat sich die junge Mutter mit Sammeln von Hagebutten im Minengebiet ein paar Marka (bosn. Währung) verdienen können. Sie trug bis zu 30 kg am Kopf kilometerweit über die Berge zum Markt. Wovon die Menschen dort leben? Ich weiß es nicht!! Erleichtert, dass die Familie wieder froh beisammen ist, erleichtert auch um ein bisschen Geld, das ich dort ließ, aber doch bedrückt von dieser Armut fuhr ich noch in der selben Nacht mit den Sanitätern zurück nach Murau. In Murau habe ich die Sachen weiter sortiert, ich bekam noch Winterschuhe und zwar neue, aber einzelne, die mir der Geber schon nach Größen zusammengebunden hat. Und ich bekam Kindersachen und Wintersachen. So hielt ich es nicht lange aus, packte wieder mein Auto und brach am 22. September zu meiner 143. Fahrt vollgepackt auf. Die sechs Grenzstationen sind schon Routine, nicht das Stossgebet, denn es wirkt immer noch. Mein Quartier habe ich in einem kleinem Dorf in der Nähe von Tuzla bei Bosniern, die aus Wien zurückgekehrt sind. Ich genieße ihre fürsorgliche Gastfreundschaft. Um sechs Uhr früh weckt mich der Ruf des Muezzin zum Gebet auf, in anderen Dörfern sind es die Kirchenglocken, je nachdem welche Religion die Mehrheit hat. In den Städten - z. B. in Tuzla - ruft zuerst der Muezzin, und falls man wieder einschläft, ein paar Minuten später die Glocken. Schon vor zehn Jahren las ich meinen Enkelkindern immer wieder das Bilderbuch von Leo Lionni "Das gehört mir" (aus dem Englischen "It's mine") vor und wünschte es mir für Bosnien. Die Situation in der Geschichte von den drei Fröschen, die stets streiten und schreien: "das gehört mir", und nach einer großen Not doch zusammenhalten und dann viel glücklicher sind, wünschte ich mir für die drei Volksgruppen/Religionen in Bosnien. Nach den Wahlen vor ein paar Tagen sieht es mir leider nicht so aus. Ist die Zeit des Kriegsendes noch zu nah? Gibt es erst bei der Jugend oder gar bei den Kindern ein Umdenken? Können wir da etwas helfen? Einer meiner Träume ging schon in Erfüllung: Das Buch "Das gehört mir" (das Froschbuch) wurde ins Bosnische übersetzt, Copyright besorgt, gedruckt und mir persönlich am 26. September 3000 Stück von Österreich nach Bosnien gebracht. Und das alles ohne Cent aus der Spendenkasse !!! D A N K E ! Zehn Tage konnte ich in Bosnien Familien und Schulen besuchen, das neue Bilderbuch, Schulbücher, Schulsachen und Schuhe verteilen. Die Schulkinder von Tursunovo Brdo, die einen weiten Schulweg haben, freuen sich besonders über die neue, witzige Mode der verschiedenen Schuhe (z. B. rechter rot, linker blau) und die vielen lustigen Kappen! Für "unsere Familie" konnte ich eine Nachbehandlung für das operierte Mädchen in Tuzla organisieren. Natürlich kostet dies etwas. Die kleine Azra gedeiht sehr gut und hat jetzt mit zwei Monaten, zu ihrem eigentlichen Geburtstermin, 3200 g. Delfa, unsere taube Frau im ganz kaputten Häuschen (Schuppen), konnten wir glücklich machen: Der Schuppen war nicht mehr zu reparieren, wir mussten ihn abreißen lassen und neu bauen (siehe Bild). Unser Patenkind Mirsada mit ihrer blinden Mutter haben ihr eigenes Haus in der RS Bijeljina zurückbekommen, die Freude war groß, als die Verständigung kam, dann die Enttäuschung - das Haus war von den Wegziehenden ausgeraubt und devastiert. Mirsada lebt jetzt im Nebenhaus, das ihrem Bruder gehört und nicht so ausgeraubt wurde. Sie brauchen weiter unsere Hilfe, auch wenn sie keine Miete zu bezahlen haben. 15 Hausbesuche bei unseren Patenkindern und einige Schulbesuche konnte ich mit Hilfe meiner beiden bosnischen Studenten, die nun das dritte Jahr sehr erfolgreich in Wien Medizin studieren, machen.

Probleme gibt es noch viele. Z. B. JAGA: Sie lebt in einem Keller, aus dem sie hinaus muss, dort hat sie es kalt, kein WC, und nun hat man auch noch dem Strom abgeschaltet. Sie hat 140 Marka (ca. 70 Eure) Pension, die aber nicht jedes Monat kommt, und man kann in Bosnien nicht von 70 Euro leben. Die Frau ist nach einer Hirntumoroperation nicht gesund, kann sich die Medikamente nicht kaufen und versteht die Welt nicht mehr. Gespräche wegen einer kleinen Wohnung sind im Gange. Resada, Kriegswitwe, die mit unserer Hilfe ihr zerstörtes Haus in der RS für sich und ihre Kinder aufbauen konnte und jetzt in der Föderation eine kleine Kriegswitwenrente bekommt, verliert diese, wenn sie in die Heimat Kotor Varos zurückzieht, und hat dort keine medizinische Versorgung für ihre sehr kranke Mutter. So gibt es immer wieder Sorgen, und ich kann verstehen, dass die österreichischen Paten von ihren Patenkinder mehr hören wollen. Bitte kontaktiert mich, sonst wird alles zu umfangreich. Meine zehntägige Fahrt (3000 km bei zum Teil schlechten Wegen und viel Regen!) war wieder sehr not-wendig, bei den Besuchen konnte ich mit der Hilfe so Vieler Freude bringen, Mut machen und Hoffnung teilen bei Menschen in Not, ohne auf ihre Volksgruppenzugehörigkeit zu sehen. Auch dies wird einmal dort Früchte tragen. So danke ich nochmals, wünsche einen guten Herbst und Winter und melde mich im Frühjahr wieder.

Mit ganz lieben Grüßen

kamesb13@gmx.at