Gerät der interreligiöse Dialog in Schwierigkeiten?
April 2002

Neben dem ökumenischen Dialog, mit dem Blick auf die getrennten christlichen Kirchen, rückt der interreligiöse Dialog und damit auch die Frage nach dem "Verhältnis der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen" (Nostra aetate), immer mehr in den Vordergrund. Wenn nicht alles täuscht, so meinte Professor Waldenfels (Bonn), wird das 21. Jahrhundert weniger ein Jahrhundert der christlichen Ökumene sein, sondern eher der Begegnung der Religionen. Der wachsende kulturelle und religiöse Pluralismus weist also in eine solche Richtung.

Achtung: Der folgende Text in Klammer kann unter Umständen wegfallen. (Zur Zeit steht allerdings im europäischen Bereich das ökumenische Interesse im Vordergrund, denn dieses hat auf unserem Kontinent eine lange und leidvolle Geschichte. Im Konzilsdekret über den Ökumenismus heißt es daher: Die getrennten christlichen Kirchen, ihre Spaltung, widerspricht dem Willen Christi; dies ist "ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen" (Ökumenismusdekret Nr. 1) - Auch für Johannes Paul II. scheint dieses Anliegen noch immer sehr im Vordergrund zu stehen. In seiner sehr beachteten Enzyklika "Ut unum sint" hat er mit Nachdruck auf die Wichtigkeit der ökumenischen Bewegung für die Zukunft der Kirche im neuen Millenium hingewiesen, wörtlich: "Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich die katholische Kirche unumkehrbar dazu verpflichtet, den Weg der Suche nach der Ökumene einzuschlagen und damit auf den Geist des Herrn zu hören, der uns lehrt, aufmerksam die Zeichen der Zeit zu verstehen."

Aber in unserer eins werdenden Welt, mit einem wachsenden religiösen und kulturellen Pluralismus, erlangt der interreligiöse Dialog zunehmend an Bedeutung.) Dies kommt im letzten Apostolischen Schreiben Johannes Pauls II. vom 6. Jänner dieses Jahres, "Novo Millennio ineunte", deutlich zum Ausdruck, wo es heißt: Der interreligiöse Dialog gehöre "zur großen Herausforderung ... für den wir uns auch im neuen Jahrhundert, im Sinne des Zweiten Vatikanums einsetzen werden". - Und, so fährt der Papst energisch fort: "Der Dialog muss weitergehen", angesichts des wachsenden kulturellen und religiösen Pluralismus. - Denn, so fügen wir hinzu: Ohne den Frieden unter den Religionen wir es auch keinen Frieden unter den Zivilisationen geben.

Der interreligiöse Dialog meint nicht nur das Gespräch mit Angehörigen anderer Religionen, sondern ebenso die Frage nach den Religionen in ihrer Pluralität. Beide Aspekte haben ihre wechselvollen Beziehungen. Früher meinte man, aufgrund einer unzureichenden Kenntnis anderer Kulturen, nichtchristliche Religionen aus christlicher Sicht als "Heiden, Götzendiener", als Aberglaube oder als falsche Religion verstehen zu müssen. Der interreligiöse Dialog hat aber hier neue Erkenntnisse und Einsichten eröffnet. Religionsgeschichte und Religionswissenschaft haben uns auf diesem Gebiet viele positive Elemente gelehrt.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat zum ersten Mal in solcher Form das Thema des interreligiösen Dialogs, des religiösen Pluralismus, aufgegriffen. Damit nehmen wir Bezug auf den kurzen Konzilstext "Nostra Aetate", wo die Frage nach dem Verhältnis der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen klar gestellt wird.

Und einleitend heißt es im Konzilstext Nostra aetate, 1: In unserer eins werdenden Welt, "erwäge" die Kirche - das heißt, fragt sich die Kirche - "mit umso größerer Aufmerksamkeit, in welchem Verhältnis sie (d.h., die Kirche) zu den nichtchristlichen Religionen steht". Das heißt also: Das Konzil fragt nicht, ob es ein solches "Verhältnis" gäbe, sondern "welches Verhältnis" besteht. Und als Grund für diese Frage wird dann hinzugefügt: Eine solche Frage sei auch deswegen von Bedeutung, weil es Aufgabe der Kirche sei, die "Einheit und Liebe ... unter den Völkern zu fördern". Johannes Paul II. hat mit seiner Einladung der Vertreter der großen Weltreligionen in Assisi (1986) hiefür den Blick geöffnet. Und dem entspricht der Satz des Konzilstextes (Nr. 2): "Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen (d. h. den nichtchristlichen Religionen) wahr und heilig ist." - Aus diesem Grunde "ermahnt sie (die Kirche) ihre Söhne, dass sie mit Klugheit und Liebe, durch Gespräch und Zusammenarbeit mit den Bekennern anderer Religionen, sowie durch ihr Zeugnis des christlichen Glaubens und Lebens jene geistlichen und sittlichen Güter ... die sich bei ihnen finden, anerkennen, wahren und fördern". (Nostra aetate, 2).

Vom Standort des zweiten Vatikanischen Konzils ausgehend, Bezug nehmend auf Nostra Aetate, (vgl. aber auch Gaudium et Spes 22, Lumen Gentium 16, Ad Gentes 7), steht heute fest: Die katholische Kirche hat sich im Konzil den anderen religiösen Traditionen, Religionen, positiv geöffnet, und zwar weit mehr als früher. Damit ergibt sich nicht nur der Hinweis auf die positiven menschlichen Werte, sondern auch auf die verborgenen Aspekte, Elemente von "Wahrheit und Gnade" als unsichtbares und unerkanntes Wirken Gottes. Papst Johannes Paul II. hat diese positiven Urteile noch unterstrichen mit dem Hinweis auf die überall wirksame Gegenwart des Geistes Gottes und Jesu Christi in den anderen, nichtchristlichen Religionen selbst.

Das Konzil hat aber die Frage: "Welches Verhältnis" zu den nichtchristlichen Religionen bestehe, nicht ausführlich beantwortet. Es hat damit aber eine weitreichende theologische Diskussion in Gang gesetzt, die als Theologie der Religionen, Theologie des religiösen Pluralismus bereits neben der Religionsphilosophie und Religionswissenschaft als neue theologische Disziplin angesehen werden kann.

Der interreligiöse Dialog setzt sich in breiter Front fort mit der Frage, welche Bedeutung die anderen, die nichtchristlichen Religionen, für den christlichen Glauben haben, in einer eins werdenden Welt des neuen Miteinanders. Eine Theologie des religiösen Pluralismus stellt darum nicht nur die Frage nach den menschlichen Werten, sondern auch nach religiösen Werten und ihrer Bedeutung, nach ihrer Heilsbedeutung. Eine sehr umfangreiche Literatur bezeugt bereits das große Interesse, das durch diese neuen theologischen Fragen geweckt wurde. Andererseits aber ergeben sich für den mündigen Christen zusätzliche Fragen, die nicht nur neue Schwierigkeiten, sondern auch eine Vertiefung des eigenen Glaubensentscheides möglich machen können oder sollen.

Die römische Glaubenskongregation hat dieses Thema ebenfalls aufgegriffen in einem umfassenden Dokument: "Erklärung über die Einzigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi und seiner Kirche", - zitiert als "Dominus Jesus" (6.8.2001) und damit auch zum Thema des interreligiösen Dialoges, des religiösen Pluralismus Stellung genommen. Dazu stellt sie fest, dass der interreligiöse Dialog, "zwischen dem christlichen Glauben und den anderen religiösen Traditionen" neue Fragen aufgeworfen habe, die der Unterscheidung bedürfen. Das ausführliche Dokument der Glaubenskongregation - zitiert als "Dominus Jesus" - weist hin auf die Schwierigkeiten, die sich für den Verkündigungsauftrag der christlichen Botschaft ergeben. Ausführlich geht dann das Dokument ein auf die Schwierigkeiten und Gefahren einer Relativierung der christlichen Botschaft mit Bezug auf die "Einzigkeit und Heilsuniversalität Christi und der Kirche" - das heißt, des universalen Heilswillen des einen und dreifaltigen Gottes, des Mysteriums der Inkarnation des am Kreuze verstorbenen und auferstandenen Gottessohnes.

Das Dokument der Glaubenskongregation nennt damit keinen Autor, keine Bücher und keine theologischen Schulen. Und trotz der genannten bedenken in Bezug auf den Verkündigungsauftrag und die Gefahr der Relativierung der christlichen Heilslehre, lädt die Glaubenskongregation die Theologen von heute ein, "über das Vorhandensein anderer religiöser Erfahrungen und ihrer Bedeutung im Heilsplane Gottes nachzudenken; zu erforschen, ob und wie auch Gestalten und positive Elemente anderer Religionen zum göttlichen Heilsplan gehören können." (Dominus Jesus, Nr. 14)

Als diese "Erklärung" der Glaubenskongregation der Öffentlichkeit übergeben wurde, (6. August 2000), war bereits ein anderer kürzerer Text (Notificatio) in Vorbereitung, der sich ausschließlich auf einen Autor und sein Buch bezog. Es handelte sich um das zunächst in englischer Sprache geschriebene Buch "Towards a christian theology of religious pluralism" und dessen Autor, P. Dupuis SJ, bisher Professor an der theologischen Fakultät der Gregoriana in Rom; es gilt als eine Pionierleistung in Bezug auf die neuen komplexen Fragen des religiösen Pluralismus. Dieses Buch erschien im Herbst 1997 und ist in der Zwischenzeit in mehrere moderne Fremdsprachen übersetzt und in zahlreichen Neuauflagen erschienen. - Die oben, in "Dominus Jesus" gezeigte Offenheit gegenüber dem interreligiösen Dialog und religiösem Pluralismus scheint allerdings in der Vorgangsweise der Glaubenskongregation im Falle des Buches von Jacques Dupuis SJ nicht gegeben zu sein. Denn neun Monate nach Erscheinen des genannten Werkes (26. September 1999) erhielt der angesehene Autor - über seinen Ordensgeneral zugestellt - die Nachricht, dass sein Buch schwere Glaubensirrtümer in wichtigen Glaubensfragen enthalte. In der Folge konnte der konsternierte Autor zu den schriftlich vorgelegten Fragen der Glaubenskongregation ausführlich Stellung nehmen. Aber infolge noch offener Probleme stellte die Kongregation dem Autor mit Datum vom 1. September 2000 den ersten Textentwurf einer zu veröffentlichenden Notificatio zu, die bereits die Unterschrift Johannes Pauls II. vom 16. Juni 2000 trug. Ein theologischer Berater konnte allerdings in der Zwischenzeit den Nachweis erbringen, dass sich in dem genannten Buch keine einzige Stelle finde, auf die der Vorwurf der Glaubenskongregation (schwere Glaubensirrtümer, die von der Glaubenskongregation im Buche selber nicht konkretisiert wurden) zutreffe. So kam es zu einer gemilderten zweiten Textfassung am 6. Dezember, wiederum mit der Unterschrift des Papstes vom 24. November, worin nur mehr von "irrigen Glaubensaussagen" die Rede war. Diese Fassung wurde schließlich, noch einmal überarbeitet, in einer dritten Textfassung dann am 26. Februar 2001 offiziell der Öffentlichkeit übergeben; dieser nun publizierte Text trug die Unterschrift des Papstes vom 19. Jänner dieses Jahres. Die erste und zweite Fassung der Notificatio, die der Jesuitengeneral, sowie der Buchautor selbst und auch der theologische Fachberater O'Collins SJ gesehen hatten, befindet sich heute wieder im Archiv der Glaubenskongregation. Die hier wiedergegebenen Informationen stammen aus der öffentlichen Pressekonferenz des Buchautors, wenige Tage nach der endgültigen Veröffentlichung der Notificatio am 26. Februar 2001.

Aus der Entstehungsgeschichte dieser Notificatio ist zu ersehen, dass in der Vorgangsweise der Glaubenskongregation ganz offensichtlich Schwierigkeiten in der Prozedur bestehen. Ich nehme an, dass damit das Thema des interreligiösen Dialogs oder Pluralismus nicht direkt betroffen ist. Allerdings lässt sich die Vermutung nicht von der Hand weisen, dass seitens der Glaubenskongregation eine deutliche Reserve zu bestehen scheint gegenüber dem neuen Thema des religiösen Pluralismus aus christlicher Sicht. Der Autor selbst, P. Dupuis, hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass er als katholischer Theologe das kirchliche Lehramt voll respektiere. Der Vorwurf der Glaubenskongregation gegenüber dem Buch als Ganzes ohne konkrete Textbelege lässt den Verdacht aufkommen, dass der interreligiöse Dialog im allgemeinen der Glaubenskongregation - im Gegensatz zum Papst und zum Konzil - kein positives Anliegen ist. Daraus ist wohl zu folgern, dass in Zukunft in diesem Neuland der Theologie eine breite theologische Diskussion - vor allem auch aus christlicher Sicht - notwendig sein wird und möglich sein soll; das Recht der Glaubenskongregation, ja, die Pflicht, die ganze Diskussion mit kritischen Fragen zu begleiten, steht außer Diskussion.

Allerdings geht ein von der Glaubenskongregation ins Internet gestellter Kommentar zur Notificatio vom 12. März dieses Jahres selbst ausführlich auf den "Ton" der Notificatio ein, verteidigt sich gegen den Vorwurf "unberechtigter Härte" (Nr. 6) Es sei dies, so heißt es, der traditionelle Stil eines Lehrschreibens der Glaubenskongregation. Aber nachdem es sich in unserem Falle nicht nur um Bücher, sondern um Menschen handelt, können gerade durch den "Ton" Menschen in arge Bedrängnis geraten. Daher bleibt hier trotzdem noch einiges zu klären, denn auch "Ut unum sint" ist ein sehr bedeutendes Glaubensdokument, aber der Ton ist anders.

So möchte ich zusammenfassend feststellen: Der religiöse Pluralismus in seinem großen geschichtlichen Zusammenhang und die damit verbundenen Diskussionen stellen uns heute erneut vor die Frage: Ist Jesus Christus ein großer Religionsführer der Menschheit, aber letztlich doch nur ein Mensch - oder spricht ein Vater im Himmel durch ihn, um so auf die letzten großen Fragen der Menschheit hinzuweisen und die Antwort zu geben. Das Letztere ist die Überzeugung der Christen. Diese Frage hatte nicht nur das Konzil von Nicäa, sondern vor allem auch das Konzil von Chalzedon in ernstem Ringen zu beantworten. Unverändert für jeden Menschen bis auf den heutigen Tag gilt die - einst an die Apostel gerichtete - Christusfrage (Mt 16,15): "Ihr aber, für wen haltet ihr mich?"