Karl Amesbauer
Eine alte Prophezeiung, die den Hopi-Indianern von Nordarizona zugeschrieben wurde, besagt, dass die Medizin oder Spiritualität der Indianer in Verruf kommen würde und dass die meisten Indianer mehr als hundert Jahre nicht daran glauben können würden. Doch eines Tages würden die Enkel und Enkelinnen der weißen Unterdrücker die wenigen noch lebenden Medizinmänner und -frauen ausfindig machen und sie bitten: "Helft uns, denn durch uns ist die Erde fast zerstört worden."
Wir sogenannte zivilisierte Völker können uns an der Achtung, welche die Indianer vor der Erde empfinden, ein Beispiel nehmen. Seit der französische Philosoph René Descartes vor fast vierhundert Jahren verkündet hat, dass die Menschen die Herren und Eigentümer der Natur seien, hat die westliche Zivilisation unseren Planeten mit wenig Achtung behandelt.
Viele Indianer versuchten und versuchen immer noch, uns darauf aufmerksam zu machen, dass wir wieder in Einklang mit der Erde, von der wir alle abstammen, leben sollten.
Annie Kahn, eine Medizienfrau der Navajo, sagt es so: „Mutter Erde, Vater Himmel und Großvater Morgengrauen. Ich bin Mitglied dieser Familie. Ich bin das Kind der Erde. Ich bin verantwortlich für alle Menschen. Als meine Eltern starben, fühlte ich mich nicht allein, da ich ja noch Mutter Erde und Vater Himmel hatte. Viele Menschen haben das Wasser, die Erde und die Berge nicht als Teil ihres Lebens erkannt, doch sie sind es.“
Die traditionellen Häuptlinge der Hopi äußerten sich noch direkter: „Wir haben die durch unsere Prophezeiungen bestimmte Verantwortung akzeptiert, euch mitzuteilen, dass fast alles Leben erlöschen wird, wenn die Menschen nicht erkennen, dass jeder in Frieden und Harmonie mit der Natur leben muss. Nur jene Menschen, welche die Geheimnisse der Natur kennen, der Mutter aller, können die eventuelle Zerstörung von Land und Leben überstehen.“
Um die Person Deganawidas sieht es etwas anders aus. Hier wird die Vision einer neuen Lebensweise berichtet. Deganawida war ein Prophet, der dank seiner Beziehung zu seinem Schöpfer und der Kraft seiner Gedanken das Leben anderer Menschen seiner Zeit bis zur unseren veränderte. Er war Begründer einer Art föderalistischer Regierungsform und des Staatenbundes "Liga der sechs Nationen", die zu ihrer Zeit eine der fortschrittlichsten Demokratien der Welt darstellte.
Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA, übernahm einige von Deganawidas Ideen, die durch ihn in das Gedankengut der Vereinigten Staaten einflossen. Somit ist Deganawida auch der erste Philosoph Amerikas, um so bedauerlicher ist es, dass er heute fast vergessen ist.
Solchen Botschaften wird zumeist nicht die Beachtung geschenkt, die sie verdienen. Die Art und Weise, wie die Indianer immer ignoriert wurden, wie Deganawida belächelt wurde und wie der Oberste Gerichtshof 1990 den Indianern das alte Recht absprach, bei religiösen Zeremonien Peyote zu nehmen, scheint nicht gerade eine ideale Voraussetzung dafür zu sein, dass unsere Gesellschaft die besten Ideen der Indianer übernehmen wird. Doch es gibt auch Hoffnungsschimmer.
Wir erleben einen der bedeutendsten Wendepunkte der Geschichte, das Ende einer Epoche und den Beginn einer neuen. Einige der Prophezeiungen betreffen unser Leben und das unserer Lieben vielleicht direkter. Andere hatten nur in ihrer Zeit und am entsprechenden Schauplatz Bedeutung. Auf jeden Fall stellen sie ernste Warnungen dar.