1. Oktober 2001
Der elfte September 2001 wird wohl als einer der dunkelsten Tage des neuen Jahrtausends in die Geschichte eingehen. Diese absurde Wahnsinnstat ist absolut zu verurteilen, und dafür darf es weder religiöses noch politisches Verständnis geben.
Sehr wohl aber müssen wir uns fragen, warum es zu solchen Taten kommen konnte. In einer total auf Leistung aufgebauten Wirtschaftswelt haben die Schwachen und Abhängigen keine Möglichkeiten mehr, irgend etwas zu ihren Gunsten zu verändern. Die Macht des Geldes bestimmt, ob jemand "wer" ist oder in der Anonymität der Abhängigen versinkt.
Viele von uns haben schon dieses Gefühl der Ohnmacht verspürt, wenn am Arbeitsplatz das sogenannte "Mobbing" gegen eine bestimmte Person oder ganze Beschäftigungsgruppen gezielt eingesetzt wird, um egoistisch persönliche Vorteile gegenüber anderen zu erreichen.
Gerade in der sogenannten "Business World" wird mit dem Ausdruck "clever" beim Abschluss eines Geschäftes (besser gesagt eines "Deals") jene Handlung zum Ausdruck gebracht, die dem "Cleveren" auf Kosten des anderen "Gegners" (von Partnern kann man in diesen Fällen nicht mehr sprechen) absolute Vorteile zu dessen Nachteil beschert hat. Ein Miteinander ist in dieser "Businessworld" nicht gewünscht. Anonyme Shareholder auf den Aktienmärkten setzen ihre Aufsichtsräte und deren Organe unter Druck, um jeden Preis (insbesondere um jede Personalreduzierung) noch mehr Profit zu erwirtschaften. Und diese Aufsichtsräte und deren Organe dünken sich als die wahren Besitzer der Unternehmen und vergessen vorerst, dass sie ebenfalls nichts anderes sind als austauschbare Schachfiguren. Der ihnen anhaftende Egoismus macht diese Personen jedoch sehr gefährlich, da sie ichbezogen ein dichtes Absicherungsnetz für den Fall der Fälle durch diverse Verträge um sich aufbauen. Ihnen kann daher im Fall der Fälle kaum etwas passieren, sind sie doch bereit, bereits den nächstbesten Job auf die gleiche Art und Weise zu erfüllen und die gleichen oder sogar besseren Auffangnetze zu knüpfen. Was kümmert einen Vorstand eines Unternehmens schon, dass jemand mit einem Monatsgehalt von 15.000,- ATS brutto plötzlich auf der Straße steht; für ihn, den Vorstand, sind das Peanuts! Für den Arbeitnehmer jedoch bricht eine Welt zusammen! Und plötzlich müssen viele "Peanuts" gehen, und die Welt kommt ins Wanken, aber keiner merkt es!
Wie dumm ist diese Vorgangsweise, insbesondere das Verhalten der Aktionäre! In einer Zeit der Globalisierung ist das Schließen von Fabriken (mit allen personellen Konsequenzen) mit dem Ziel, die Produktion in Billiglohnländer zu verlegen, ein Gesellschaftsspiel geworden. Und dieses Spiel wird munter fortgesetzt, denn auch die Kosten-Nutzenrechnung muss immer schneller korrigiert werden. Irgendwann käme dann dieselbe Fabrik, die nach Osten fortrationalisiert wurde, plötzlich aus dem Westen zurück. Doch bedauerlicherweise sind bis zu diesem Zeitpunkt bereits so viele Beschäftigte wegrationalisiert worden, dass die Produkte, die hergestellt werden, von niemandem mehr gekauft werden können - ohne Arbeit kein Lohn - ohne Lohn keine Wirtschaft. Und keiner merkt es!
Für viele der betroffenen Menschen gibt es keine Ansprechpartner und keine direkt Verantwortlichen, alles versinkt in der Anonymität der Börsenmärkte und der Aktiengesellschaften, bestenfalls kommt man noch bis zur Vorzimmerdame des Direktors; dort wird man dann aber sicher "abgewimmelt". Die ohnmächtige Wut der Betroffenen wird im gleichen Verhältnis größer, wie die soziale Verantwortung der Politik und Wirtschaft sinkt. Immer weniger bekommen immer mehr, und immer mehr bekommen immer weniger. Und keiner (?) merkt es!
"Clevere" Businessmen "lehren" die sogenannten unzivilisierten Völker, wie man Geschäfte macht, Geschäfte mit deren Bodenschätzen, Kultur und Volksgut, und die müssen für diese Lehre noch Lehrgeld bezahlen! Schon lange sind diese Lehrmeister zu Profitgeiern verkommen, die nach Abschluss der "notwendigen Investitionen, Aufbau der Infrastruktur und deren ROI" (Return of Investment - das Geld wurde zurückverdient) diese Länder auf einem "Zivilisationsscherbenhaufen" sitzen lassen. Wen kümmert's schon - denn keiner merkt es!
Bisher war Terror eher fanatischen Personen zuzumuten, Personen, die sich sicherlich größtenteils nicht grundlos in die Fänge des Terrors begeben haben und eher durch eine einfache Lebenseinstellung gekennzeichnet waren (Schwarz-Weiß-Malerei). Terror ist jedoch keine Lösung für Probleme, das aber wurde diesen willfährigen Werkzeugen des Terrors glaubhaft gemacht. Nunmehr ist aber eine neue Dimension des Terrors entstanden; denn niemand kann Zweifel an der geistigen Fähigkeit der bei diesen Anschlägen beteiligten Personen haben, jemand der einen Pilotenschein macht, hat Grundlagen für logisches und verantwortungsvolles Denken und Handeln. Wie tief muss der Hass gewesen sein, dass diese Personen eine solche Tat begehen konnten! Und keiner merkte es!
Des Terrors schuldig sind nur jene Personen, die die Tat geplant und
durchgeführt haben.
Der Planer war der Sämann, der den Hass gesät und Terror ernten wollte. Aber
der Boden für diese Saat wurde von jenen aufbereitet, die egoistisch und
habgierig keine andere Meinung oder Kultur, kein anderes Handeln als das ihre
und keine andere Denkweise als ihre akzeptieren, die sich in ihrer Präpotenz
dazu verstiegen, nur sie wären die wahren Fortschrittsbringer und die Herrscher
der Welt. Und keiner wollte es merken!
Wir dürfen heute und jetzt keine Schuldzuweisungen verteilen, wir müssen
aber um jeden Preis das Miteinander vor die Rache oder scheinbare Gerechtigkeit
setzen.
Täglich können wir im Fernsehen mit ansehen, wie wohlfeil Katzen- oder
Hundefutter dargeboten wird, damit unsere Lieblinge auch ja alles zum Leben
haben; wir sehen aber auch, wie Kinder und Erwachsene aus bitterster Not am
Hunger zu Grunde gehen, wie durch die "Zivilisation" entstandene
Umweltsünden Umweltkatastrophen nach sich ziehen. Für die Betroffenen gibt es
aber kaum Hilfe und schon gar keine Lobby, die ihre Interessen vertreten würde.
Millionen Menschen sind vom Hungertod bedroht, von Seuchengefahr umgeben, von
Kriegshinterlassenschaften "beglückt", und aus den Gesichtern der
Betroffenen formt sich ein alles lähmender, jedoch stummer Hilfeschrei; und
keiner merkt es!?
Terror ist das Ergebnis, wenn die Vorzeichen einer Explosion nicht erkannt oder erkannt werden wollen. Versuchen wir, mehr Anteil am anderen zu nehmen, leben wir mehr miteinander, nicht nebeneinander, verschließen wir die Augen nicht vor den Sorgen der anderen, versuchen wir auch zu helfen, statt nur zu verdienen, achten wir den anderen, wie wir selbst geachtet werden möchten. Reden wir miteinander, leben wir miteinander! Helfen wir aber auch den "Boden aufzubereiten", vielleicht wussten sie nicht, was sie taten!
Das alles soll und darf nicht das abscheuliche Verbrechen, das in den USA geschehen ist, verniedlichen oder gar entschuldigen; es sollte nur dazu anregen, wieder mehr Menschlichkeit und Miteinander walten zu lassen, wieder mehr Verantwortung und Mitgefühl für den anderen zu fühlen, den Egoismus zurückzudrängen und die Profitgier auf ein gesundes wirtschaftliches Überleben auszutauschen.
Peter und Liselotte Gantze
Terror - warum?