Predigt von Josef Enzenberger
anlässlich der Eröffnung des 1. österr. Täufermuseums in Niedersulz,
5. Oktober 2008

Thema: Was darf es kosten?

23 "Da sprach Jesus zu ihnen allen:
Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach.

24 Denn wer sein Leben erretten will, der wird es verlieren;
Wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird´s erretten.

25 Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und verlöre sich selbst oder nähme Schaden an sich selbst?
26 Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich des Menschen Sohn auch schämen, wenn Er kommen wird in Seiner Herrlichkeit und der des Vaters und der heiligen Engel. (Lukas 9, 23-26)

25 Zu der Zeit hob Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater und Herr Himmels und der Erde, dass du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart.
26 Ja, Vater; denn so war es wohlgefällig vor dir.
27 Alle Dinge sind mir übergeben von meinem Vater. Und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.
28 Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
29 Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
30 Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht. (Matthäus 11, 25-30)

Wir erinnern uns heute einer der gewaltigsten Verwirklichungen jener eben gelesenen Verse in unserem österreichischen Volk. Wir gedenken eines geistlich-religiösen Aufbruchs in unserem Lande, wie er in solch einer Breitenwirkung seitdem nicht mehr stattgefunden hat.

Einer Bewegung zu gedenken und dafür eine eigene Gedenkstätte zu errichten birgt manche Gefahr in sich, und doch ist es manchmal unerlässlich, dergleichen zu tun.

Für Jahrhunderte war in Vergessenheit geraten, dass es auch in Österreich - und nicht zuletzt hier in diesem Landstrich - Menschen gegeben hat, 
die einen Glauben gelebt haben, der sich sehr stark am NT orientiert hat. Niemand hatte seither eine Erinnerung an jene Erneuerungsbewegung, deren Anhänger als "Wiedertäufer" bezeichnet wurden, weil sie eine Taufe in Frage zu stellen wagten, die ohne vorhergehende Buße und ohne Bekehrung gespendet wurde und ohne dass sie der Täufling aus freien Stücken hätte begehren können. Lediglich in Archiven verborgen lagen seit damals die Verhörprotokolle, denen zufolge diese Menschen mit Folter, mit dem Scheiterhaufen, mit dem Ertränken bedroht worden waren, wenn sie diesen bewussten Schritt in die Nachfolge Jesu mit einem Taufakt zu besiegeln wagten. Und dennoch waren es Zehntausende gewesen, die - aus allen Bevölkerungsschichten kommend - diesen Bekenntnisschritt gewagt hatten - ganz bewusst und mit allen Konsequenzen.

Welcher Art diese Konsequenzen waren, haben wir vorher aus den Worten Jesu gehört - und das Anspiel hat uns etwas davon drastisch vor Augen geführt! Jesus hatte Seine Nachfolger niemals darüber im Unklaren gelassen, dass Nachfolge auch etwas kostet, ja dass sie im Grunde nichts weniger als das ganze Leben kostet! Nachfolge Jesu kann keine halbe Sache sein! Denn auch die Hingabe Jesu für die Menschen war keine halbe Sache!

Das haben diese Menschen verstanden, und darum war es ihnen alles wert, diesem Jesus nachzufolgen. Bis 1531 dürften es rund 1000 Menschen gewesen sein, die um ihres Glaubens willen hingerichtet worden waren!

Trotzdem haben diese Menschen - auch wenn sie für lange Zeit nahezu in völlige Vergessenheit geraten waren -in unserem Land ihre Spuren hinterlassen.

Vieles, was sie damals schon vertreten haben und wofür sie vertrieben und umgebracht wurden, teilen heute nahezu alle Christen; etwa die Trennung von Kirche und Staat, d.h. dass sich der Staat nicht in innerkirchliche Angelegenheiten einmischen oder eine bestimmte Glaubensrichtung vorschreiben soll.

Solch eine Forderung impliziert die Freiheit der Glaubenswahl und damit die Ablehnung von jeglichem Glaubenszwang. Auf diese Weise sind die Täufer des 16. Jh.s zu Vorreitern der Glaubens- und Gewissensfreiheit geworden.

Oder ihre Ablehnung von Gewalt überhaupt! Das Gebot Jesu von der Feindesliebe (!), jenes Mannes, der am Kreuz für Seine Feinde gebetet hatte, hat ergreifende Beispiele der Nachahmung in der Geschichte der Täufer gefunden. Sie waren eher bereit, sich umbringen zu lassen, ehe dass sie zur Waffe gegriffen hätten. Aber das trug ihnen kein Lob seitens der Regierung ein, weil sie sich auch weigerten, für Kriegsdienste zur Verfügung zu stehen und nicht einmal bereit waren, gegen die Türken ins Feld zu ziehen. Damit wurden sie den Behörden verdächtig!

Aber nicht nur im geistlichen Bereich waren die Täufer ihren Zeitgenossen voraus. Sie waren die Erfinder des Kindergartens und haben unter sich - lange vor Maria Theresia - eine allgemeine Schulpflicht eingeführt.
Es gab keinen Täufer oder keine Täuferin, die nicht bereits im 16.Jh. Lesen und Schreiben konnte.

Und nicht zuletzt sind sie für ihre Keramik bekannt geworden. Unter dem Namen "Habenerkeramik" finden wir sie in vielen Volkskundemuseen. Und auch Sie / Ihr habt die Möglichkeit, im Museum davon einiges zu betrachten.

Sie sollen auch berühmte Wundärzte gehabt haben, deren Kunst sogar von ihren Gegnern gerne in Anspruch genommen wurde.

Aber der Titel unserer Predigt heute lautet: "Was darf es kosten?" und gemeint ist die Nachfolge Jesu.

Was darf uns überhaupt etwas kosten? Wir wissen es zwar: Alles im Leben hat seinen Preis!
Aber haben denn diese Leute damals nicht übertrieben, wenn sie für ihre Jesusnachfolge Verfolgung, Trennung und sogar den Tod in Kauf zu nehmen bereit waren? Was hat sie tatsächlich dazu bewogen - und das in solchen Massen?, denn Berichte über die Täufer gibt aus allen österreichischen Bundesländern!

Vielleicht verstellt uns die Frage nach den Kosten der Nachfolge den Blick für das, was Jesus noch gesagt hat. So entschieden der Herr Jesus von Seinen Jüngern die Nachfolge einfordert, so eindeutig verheißt er Seinen Nachfolgern ein sanftes Joch, die Erfahrung Seines Beistandes und Trostes, Mut und Kraft zu Dingen, zu denen Menschen von sich aus niemals fähig wären! (Verse 28 u 29, Lk 9)
Demnach ist das, was uns beim Betrachten der Geschichte der Täufer sichtbar vor Augen steht, nämlich die Verfolgungen, die Scheiterhaufen, das Gefängnis, nur die halbe Wahrheit!

Diese Tiroler Bauern, unter denen sich die Täuferbewegung als Erstes verbreitet hatte, waren Realisten! Vor allem hatten sie eines beobachtet und erkannt: dass das Leben rasch vergeht und es niemand festzuhalten vermag! Das stand diesen Menschen tagtäglich vor Augen: Hunger, Pest, Elend. Ihnen war es weit weniger möglich als uns heute, davor die Augen zu verschließen.
Einem Selbstverwirklichungsprogramm, wie es uns heute oft sogar unter dem Deckmantel des Evangeliums verkündigt wird, hätten sie nicht geglaubt. Dafür kannten sie das Leben zu gut.
Zugleich kannten auch sie die Sehnsucht, das Leben, das man hat, zu erhalten. Mit nichts ist ja der Mensch mehr beschäftigt als mit Lebenserhaltung! Fast alles dreht sich darum! Ganze Branchen leben heute davon, dem Menschen etwas zu verkaufen, wodurch er länger lebt, was das Altern verhindert, was seine Zukunft sichert! Aber das Wort Jesu hatte für sie größere Glaubwürdigkeit! Jesus sagt nämlich: "Wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren."
Aber da war noch etwas, was er gesagt hatte: "Wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird´s erhalten." Das aber musste man erst einmal glauben! Das war nicht sogleich optisch wahrnehmbar wie die erste Feststellung Jesu. Genau das wurde aber zu ihrem charakteristischen Kennzeichen: Sie glaubten dem Worte Jesu! Dieser Glaube äußerte sich ganz praktisch im Tun dessen, was Jesus von ihnen verlangte - und sie versetzten damit ihre Umgebung in Verwunderung!

Was sie glaubten, das sagten sie auch weiter. Dies war ein weiterer Beweis ihres Glaubens! Man sagt nicht etwas weiter und bringt dadurch sich und sein Leben in Gefahr, wenn man nicht felsenfest von der Richtigkeit und Wichtigkeit des Gesagten überzeugt ist! Sie haben sich also der Worte Jesu nicht geschämt!

Damit haben wir die Hauptkennzeichen dieser Bewegung!

Sie sind daher auch vor jener Gefahr bewahrt geblieben, wonach alle Menschen - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - gelüstet und wovor uns Jesus warnt: nämlich die Welt zu gewinnen! Dieses Unterfangen haben sie als ebenso töricht erkannt wie den Versuch, das Leben festzuhalten. Denn selbst, wenn es jemandem gelänge, die ganze Welt zu gewinnen, er würde sie nur für ganz kurze Zeit innehaben können. Keiner der Herrscher dieser Welt konnte sein Reich erhalten! Aber alle haben sie Schaden genommen an ihrer Seele! Und davor hat sie das Wort Jesu bewahrt, dass ihre Seele - und das ist es, was unsere Persönlichkeit und den Wert der Persönlichkeit ausmacht! - dass diese Seele ewigen Schaden erleidet!

Aber für alle jene in ihrer Umgebung, die dem Worte Jesu keinen Glauben schenkten, waren diese Leute unbegreiflich, unverständlich, ärgerlich. Aber an ihnen hatte sich die Verheißung Jesu erfüllt. (Verse 25 u 26, Mt 11) Denn ihnen war es möglich geworden, durch den Gehorsam dem Worte Jesu gegenüber den Vater und den Sohn zu erkennen. Und welche Erkenntnis könnte größer sein? Lag nicht gerade in dieser Erkenntnis die Antwort auf jene schreckliche, den Menschen überfordernde Tatsache, dass er vergänglich ist? Hatte nicht Jesus in Seinem hohepriesterlichen Gebet gebetet: "Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen."? (Joh. 17,3) 
Wie gewiss sie sich dieses ewigen Lebens waren, haben sie zu Tausenden bewiesen. Selbst am Schafott unterschieden sie sich noch deutlich von anderen Verurteilten: Sie verziehen ihren Henkern und ihren Gegnern, beteten für sie und baten auch selber um Vergebung, wenn sie jemanden beleidigt hätten. Nicht selten bezeugten nach der Hinrichtung viele der Henker die Unschuld dieser Menschen und weigerten sich hinfort, Täufer zu exekutieren.

Die zahlreichen Glaubenszeugnisse, wie sie die Briefe der Täufer, ihre Lieder oder das hutterische Geschichtsbuch überliefert haben, sind eine lebendige Erfahrung und Darstellung dessen, was im 1.Johannesbrief steht: "Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat."(5, 4 b)

Dieses Glaubenszeugnisses, dieser "Gelassenheit" der Welt gegenüber, ihrer gedenken wir heute.

Fast unwillkürlich fragt man sich: Haben wir etwas davon unter uns erlebt? Denn wir als Freikirchler sind ja geneigt, uns als ihre geistigen Nachfahren zu bezeichnen. Aber kennen wir wirklich etwas von jenem konsequenten Glaubensleben aus eigener Erfahrung? Wieviel ist uns unser Glaubensleben wert? Was würdest Du für Jesus aufgeben? - Andererseits: Gehörst Du zu jenen Unmündigen, über die Jesus jubelt und sich freut, weil sie - obwohl sie von allen deswegen verlacht werden - an Seinem Wort schlicht festhalten und es tun?

[Heute wird ja gern vom "mündigen Christen" geredet, und kaum jemand würde sich gerne als unmündig bezeichnen lassen wollen. Aber gerade den Unmündigen hat Jesus etwas offenbart, was den "Weisen und Klugen" dieser Welt verborgen bleibt: das kindliche Verhältnis zu Gott! Solche Menschen leben unter der "Munt", d.h. dem Schutze Gottes, wie ja das mhd. Wort in Wirklichkeit heißt. Ein "Mündiger" wäre demnach ein Schutzloser, einer, der selbst für seinen Schutz sorgen müsste und der niemals erfahren würde, wie es ist, unter dem Schutz und Schirm des Höchsten zu sein, ein Schutz, der auch dann, wenn alles vergeht, noch erfahren wird - wie wir an den Täufern sehen können.]

Sind wir wirklich ihre Nachfahren im Glauben geworden?
Ein französischer Zyniker hat gesagt: "Ein Christ ist jemand, der die Lehren Jesu insoweit befolgt, als sie sich mit einem Sündenleben vereinbaren lassen." [Ambrose Bierce]

Wo würdest Du Dich einordnen? Lasse ich mich / lässt Du Dich vom Wort Jesu herausrufen aus einem Sündenleben? Oder hast Du vor, noch länger die Karikatur eines Christen in eben erwähnter Beschreibung abzugeben?

Ein Tag wie der heutige erspart es uns nicht, kritische Anfragen an uns selbst zu stellen. Die eingangs erwähnte Gefahr betrifft uns alle! Es könnte nämlich, wenn wir dem Worte Jesu in unserem Leben weiterhin Widerstand leisten, zugleich aber religiöse Heldenverehrung betreiben, das Wehewort Jesu aus auf uns zutreffen: "Wehe euch, (...) ihr Heuchler, die ihr den Propheten Gräber baut und schmückt die Grabmäler der Gerechten und sprecht: Wären wir zu den Zeiten unserer Väter gewesen, so hätten wir uns nicht mitschuldig gemacht am Blute der Propheten!

So gebt ihr gegen euch selbst Zeugnis, dass ihr Kinder derer seid, die die Propheten ermordet haben. Wohlan, so erfüllt auch ihr das Maß eurer Väter! (Mt.23, 29-32)

Ich weiß nicht, welche Haltung meine Vorfahren damals gespielt haben, als es darum ging, diese unschuldigen Nachfolger Jesu Christi zu verfolgen. Auf welcher Seite sind sie gestanden?

Wohl die wenigsten unter uns sind Nachkommen derer, die um des Glaubens willen alles aufgegeben haben, um Jesus nachzufolgen, sonst wären wir nicht hier geboren. Allenfalls könnte der eine oder andere der Nachkomme eines abgewichenen Taufgesinnten sein, wenn nicht gar der Nachkomme eines Verfolgers.

Wenn uns der Herr davor warnt, uns nicht schon deswegen in Sicherheit zu wiegen, weil wir ja den Nachfolgern von einst ohnehin so schöne Gedenkstätten errichten, dann muss uns klar sein, dass uns nicht bereits eine wohlwollende humanistische Haltung Andersdenkenden gegenüber davor bewahrt, zu Verfolgern zu werden. Einzig und allein Sein Ruf, kompromisslos in Seine Nachfolge einzutreten und damit die Berufung zum Kind Gottes anzunehmen, kann Dich noch davor bewahren!

Jemand hat gesagt: "Wenn Menschen sich nicht Gott hingeben, muss Gott sie dahingeben." [Di. 2.Sept.2008 im Bibelleseplan "Orientierung" des BLB] Es kann nicht anders sein! Nur die "Munt" Gottes, Sein Schutz kann mich davor bewahren, ein Verräter, Abtrünniger oder Verfolger zu werden - was ich auf Grund meiner alten Natur mit ihrer Feigheit, Menschenfurcht und Selbstsucht jederzeit zu werden in Gefahr stehe, selbst wenn ich es nicht wollte!

Aber es gilt auch dieses Sprichwort: "Der ist kein Tor /Narr, der hingibt, was er nicht behalten kann, um zu gewinnen, was er nicht verlieren kann!" Das ist der Realismus und zugleich die Weisheit der Nachfolger Jesu - verkannt und verlacht von der Welt, aber geliebt von Gott, dem Schöpfer allen Lebens und Vater unseres Herrn Jesus Christus.

Wenn es uns nach Jahrhunderten der Unterdrückung und Verdrängung heute gestattet ist, solch entschiedener Nachfolger Jesu in unserem Lande zu gedenken, dann ertönt erneut der Ruf Gottes an uns. Stell Dich diesem Ruf, weich ihm nicht aus! Von meiner Antwort, von Deiner persönlichen Antwort wird es abhängen, ob Du und ich als echte Nachfahren jener gewaltigen Bewegung von einst wiedererkannt werden.

Wir beugen uns vor Gott, und wer will, kann Ihm nun laut oder leise Antwort geben. Ich werde dann abschließen.

 

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