Dolomiten Nr. 46 (Samstag/Sonntag, 24./25. Februar 2007), 31:
KIRCHE / Glauben
Hutterer auf Spuren der Vorfahren
Süd- und Nordtiroler versöhnen sich 470 Jahre nach Vertreibung mit den Hutterern
Eine Gruppe von Hutterern aus Kanada besuchte gestern die Eisacktaler Orte Gufidaun und Klausen.
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Gufidaun/Klausen - Ein Arbeitskreis von Süd- und Nordtirolern hat es sich zur Aufgabe gemacht, nach 470 Jahren ein dunkles Kapitel der Tiroler Geschichte, die gnadenlose Verfolgung und Vertreibung der Hutterer, aufzuarbeiten und ein Versöhnungszeichen zu setzen. Auf Einladung des Kreises besuchten gestern Nachfahren der Hutterer aus Kanada die Orte Gufidaun und Klausen, wo ein Teil ihrer Geschichte geschrieben worden war.
Von Walther Dorfmann (wd)
Am Besuch der Hutterer in Gufidaun nahmen Bürgermeister Arthur Scheidle, Stefan Kuhn (Christengemeinde Südtirol), Robert Hochgruber (Iniativgruppe für eine lebendige Kirche), Toni Mühlberger (Christengemeinde ) und Ferdinand Gasser (Gufidaun) teil.
"Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, hier zu sein. Teils fühlt man es wie einen Stein am Herzen", sagte Mike Wollmann aus Saskatchewan in Kanada.
Sichtlich gerührt und betroffen lauschten die Besucher den Ausführungen von Stefan Kuhn vor der Summersburg in Gufidaun. Hier waren einige ihrer Glaubensbrüder einge kerkert und nach furchtbaren Folterungen am Richtplatz (Weg nach Putzen) hingerichtet worden. Besonders beeindruckt waren die Hutterer vom Kerkerverlies im Hexenturm.
Im Kerker sangen sie einen Vers aus ihrem Geschichtsbuch. Einige wischten sich Tränen aus dem Gesicht.
"Hier wird unsere Geschichte wieder lebendig, und wir können das Leid unserer Vorfahren nachvollziehen. Wir hegen aber keinen Hass im Herzen. Sie sind frei, und wir danken Gott, dass wir heute in Frieden und Überfluss leben können", bemerkten sie. Ein Rundgang durch das Dorf zur Coburg (auch dort hatten sich Ereignisse mit den Hutterern abgespielt) beendete den Besuch in Gufidaun. Kaiser Ferdinand I. von Habsburg hatte Gufidaun abfällig ein "lutherisches Nest" genannt.
Die Hutterer wollten genau wissen, was von ihren Vorfahren noch geblieben ist und wie diese gelebt haben.
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In Klausen empfing der Historiker und Stadtarchivar Christoph Gasser die Gruppe im Stadtmuseum. Gasser gab einen kurzen geschichtlichen Überblick und konnte den Hutterern ein fast 500 Jahres altes Buch aus dem Archiv zeigen, das geschichtliche Hinweise auf Jakob Huters Verhaftung in Klausen enthält.
Jakob Huter (auch Hutter geschrieben) war in der Nacht auf den 1. Dezember 1535 im Haus des damaligen Mesners Hans Steiner und seiner hochschwangeren Frau in Griesbruck verhaftet worden. In welchem Haus in Griesbruck Huter von seinen Verfolgern gestellt worden war, will Gasser noch herausfinden. Huter wurde in der Burg Branzoll in Klausen und seine Frau Anna im Turm in Gufidaun eingekerkert.
Die kanadische Gruppe zog durch die Stadt nach Griesbruck und besuchte die Burg Branzoll. "Wir werden unseren Mitbürgern und Jugendlichen in Kanada über unseren Aufenthalt vieles zu erzählen haben", sagten Mike und Lisa Wollmann.
Anschließend besuchte die Hutterer-Delegation auch St. Lorenzen, den Geburtsort von Jakob Huter (siehe Bericht auf Seite 33).