Als LUTHER 1517 gegen den Ablassmissbrauch auftrat, löste er eine zunächst keineswegs beabsichtigte Bewegung zur Reform der Kirche aus, die sich zur Kirchenrevolution größten Stils entwickelte und als äußerlich sichtbarstes Ergebnis die Glaubensspaltung hinterließ. Den Zeitgenossen war der dafür in der Geschichtswissenschaft übliche Ausdruck Reformation nicht im heutigen Sinne geläufig; man sprach und schrieb vielmehr auch von einer päpstlichen oder einer kaiserlichen Reformation und bezeichnete unter anderem die Rekatholisierungsmaßnahmen RUDOLFS II. um 1600 in Österreich als Religionsreformation. Die übliche Einengung des Begriffes Reformation auf die vor allem von Wittenberg und Genf ausgehenden Bewegungen ist zweifellos nicht richtig, denn es gab zumindest seit den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts nicht mehr zu übersehende Bemühungen um die Reformation der Kirche in Rom und schließlich in Trient.
Den Ausdruck Gegenreformation führte der Göttinger Jurist JOHANN STEPHAN PÜTTER seit 1776 in die Literatur ein; er verstand darunter die gewaltsame Rückführung von Protestanten zur katholischen Religionsübung. Unter Berücksichtigung der tiefgreifenden katholischen Bewegung, die in derselben Zeit stattgefunden hatte, wurde die Bezeichnung "Zeitalter der Gegenreformation" erstmals (1843) von RANKE gebraucht. Nur sehr langsam setzte sie sich durch. Ein Teil der katholischen Historiker lehnte die beiden Ausdrücke, die ihnen Werturteile zugunsten des Protestantismus zu enthalten schienen, entschieden ab, andere suchten einen Ausgleich, indem sie zwischen katholischer Selbstreform und politischer Gegenreformation unterschieden und als Epochenbezeichnung "Zeitalter der Glaubensspaltung" (1517-1555) und "Zeitalter des konfessionellen Absolutismus" (1555-1648) gebrauchten. Diese Einwände durchaus respektierend, sollten aber, um weitere Verwirrung hintanzustellen, die seit über 100 Jahren in der Literatur gebrauchten Ausdrücke beibehalten werden. In diesem Sinne werden auch im folgenden die Bezeichnungen Reformation und Gegenreformation gebraucht, wie sie auch in der neuesten deutschen und italienischen Geschichtsschreibung angewandt werden.
Die Reformation rief, kaum ins Leben getreten, in fast allen deutschsprachigen Gebieten und bald auch in den Nachbarländern lebhafte religiöse Bewegungen hervor. Es waren aber nicht religiöse Anliegen allein, sondern in der evangelischen Bewegung liefen auch verschiedene andere Strömungen zusammen: Sozialrevolutionäre schlossen sich ihr an, Humanisten schwammen eine Weile mit, und vom Anfang an waren auch nationale und antiklerikale Gefühle vertreten. Die Spannungen zwischen Landesfürsten und Ständen oder geistlicher Grundherrschaft und Bauern wirkten auf die Stellungnahme im Religionsstreit ein. Vor vielen Jahren schon hat ARNOLD VON LUSCHIN-EBENGREUTH seine Vermutung, dass in Österreich die Reformation möglicherweise mit verkehrten Fronten geführt worden wäre, wenn sich FERDINAND I. ihr angeschlossen hätte, sogar in seine "Österreichische Reichsgeschichte" aufgenommen.
Die Gegner der Reformation setzten sich anfangs meist aus Verfechtern des bisherigen Zustandes in Theologie, Kirche, Staat und Recht zusammen. Teils waren es reine Reaktionäre, wie viele höhere Geistliche, teils aber auch besonnene Traditionalisten, die abzuwägen verstanden und sich ihre Gedanken machten. Alle zusammen kamen aber gegen die evangelische Bewegung nicht an, die mit revolutionärem Schwung und der Überzeugung, Gott auf ihrer Seite zu haben, ohne Rücksicht auf Herkommen und Kirchenrecht zahlreiche längst schon Ärgernis verursachende Einrichtungen beseitigte. Abschaffung der Zölibatspflicht und der Winkelmessen sowie Einführung der Volkssprache im Gottesdienst und vermehrte Predigttätigkeit an Hand der Heiligen Schrift setzten sich rasch durch und fanden weitgehende Zustimmung.
Wenn in Österreich nicht ein völliger Umschwung aller kirchlichen Verhältnisse erfolgte, war dies nicht der Geistlichkeit zu danken, die entweder versagte oder sich selbst der neuen Bewegung anschloss, sondern dem Landesfürsten. Mit Stolz hat FERDINAND I. auf der Salzburger Synode 1549 darauf hinweisen lassen, dass er diese Tätigkeit für seinen schönsten Ruhmestitel halte.
Die Darstellung der Anfänge der protestantischen Bewegung in Österreich, die rasch und kräftig alle Gesellschaftsschichten erfasste, bereitet nicht geringe Schwierigkeiten. Einzelnachrichten sind spärlich, und die Haupttatsachen müssen meist aus dem schriftlichen Nachlass der dagegen arbeitenden Kräfte gewonnen werden, nämlich den landesfürstlichen Mandaten, Synodalakten und Visitationsprotokollen.
Missstände in der Kirche, aber auch tiefes religiöses Streben und soziale
Spannungen zwischen Landesfürst und Adel sowie zwischen Grundherren und
Untertanen, all dies zusammen bewirkte, dass die von LUTHER ausgelöste Bewegung
zu einer großen Revolution wurde. Seitdem das Baseler Konzil mit geringem
Geschick und noch geringerem Erfolg eine Reform der kirchlichen Zustände
angestrebt hatte, waren diese nicht besser, sondern eher schlechter geworden.
Weiterhin herrschten Pfründenkumulierung, fast Ausschließlichkeit der höheren
Würden für Hoch- und Höchstgeborene und die nie enden wollenden
Geldforderungen der römischen Kurie. Dazu kamen noch der ärgerliche
Lebenswandel eines Teiles des Säkular- und Ordensklerus, Üppigkeit und
Schwelgerei an den Höfen mancher geistlicher Fürsten, gewinnsüchtige
Ausnützung des Heiligen, äußerliche
Frömmigkeit und handwerksmäßige Verrichtung kirchlicher Übungen.
Aber auch das Papsttum versagte in der pastoral lehrenden und klärenden Leitung. Prägend für das Erlebnis der Kirche war für viele Verwaltung und Leben an der römischen Kurie und an den Bischofssitzen. Hier aber herrschten nicht Evangelium, Glaubensfragen und Seelsorgeaufgaben, sondern kanonisches Recht, Verwaltungs- und Finanzprobleme. Die Belastung des gläubigen Christen durch Regierungsform und Lebensart der Renaissancepäpste, wie z. B. ALEXANDERS VI., war groß. Aber noch gewichtiger war ein falsches Selbstverständnis des höchsten Amtes der Christenheit bei diesen Päpsten (LEO X.: Lasst uns das Papsttum genießen!). Verkündigung, Seelsorge, Nachfolge des Gekreuzigten lagen ihnen allzu ferne.
Ähnliche Auffassungen von Aufgaben und Pflichten eines Kirchenfürsten waren auch in Deutschland üblich. Als Beispiel sei ALBRECHT VON BRANDENBURG genannt, der mit 23 Jahren Erzbischof von Mainz wurde und dazu noch das Erzbistum Magdeburg sowie das Bistum Halberstadt innehatte und durch den zur Aufbringung der dafür üblichen Dispens- und Bestätigungstaxen bewilligten Ablasshandel das Auftreten LUTHERS bewirkte. Trotz seines Eifers beim Reliquiensammeln war er theologisch-religiös nicht sehr interessiert, sondern vielmehr ein Renaissancefürst, der von ULRICH VON HUTTEN anlässlich seines Einzuges in Mainz in Versen gefeiert wurde und der als Auftraggeber von PETER VISCHER, LUKAS CRANACH, MATTHIAS GRÜNEWALD, ALBRECHT DÜRER und anderen sowie als warmherziger Förderer der Humanisten Verdienste hat, die in gleicher Hinsicht auch ALEXANDER VI., JULIUS II. und LEO X. nicht abgesprochen werden können.
An den teils wenig erbaulichen Zuständen in der Kirche trugen neben der
Geistlichkeit aber auch die Landesfürsten und Adeligen Schuld, denen als
Patronatsherren Mitspracherechte zustanden. In besonders reichem Maße wurden
diese 1446 FRIEDRICH III. und seinen Nachfolgern als Landesfürsten von
Österreich eingeräumt, nämlich das Vorschlagsrecht bei der Besetzung einiger
Bistümer, die Nominierung von Klostervisitatoren und das Besetzungsrecht
zahlreicher Benefizien an Kathedral- und Kollegiatkirchen "zur Mehrung
seines Ansehens und zur Belohnung treuer Diener". Ertragreichere kirchliche
Benefizien wurden vielfach als adelige Versorgungsinstitute betrachtet, ohne
besondere Bedachtnahme
auf die Eignung des Pfründenbesitzers für das geistliche Leben.
Einzelbeispiele für den Verfall des Klerus im 15. Jahrhundert gibt es genug. Allgemein wurde auf dem Ausschusslandtag der österreichischen Länder zu Innsbruck 1518 von den weltlichen Delegierten ohne Widerspruch der Prälaten über die traurigen kirchlichen Zustände geklagt, beispielsweise dass an einigen Orten die Priester für das Seelgerät eines Mannes einen Sterbeochsen, einer Frau eine Sterbekuh verlangten, auch wenn nicht mehr Vieh vorhanden war, oder aber einen ansehnlichen Geldbetrag, den sie im Lauf der Zeit immer mehr steigerten, widrigenfalls sie das kirchliche Begräbnis verweigerten, dass sie ferner Ehebrecher und Totschläger gegen Geld und Zins absolvierten und damit Ursache zur Sünde gäben, gestiftete Messen vernachlässigten, das dafür bestimmte Geld aber kassierten, früher aus gutem Willen gestattete Sammlungen in bleibende Abgaben von Wein, Getreide, Käse und Fleisch zu verwandeln trachteten und sich schließlich unterfingen, auch Weinschenken zu halten, wodurch in ihren Häusern viel Rumor und manchmal sogar Totschläge vorfielen. Ähnliche und andere Klagen über die Geistlichkeit wurden 1522 auch auf der Salzburger Synode zu Mühldorf vorgebracht.
Neben diesen Verfallserscheinungen gab es aber auch eine tief religiöse Richtung, die sich u. a. in immer größerer Strenge bei der Neugründung von Mendikantenklöstern geltend machte. Sie ist ebenso ein Beweis für den Glauben an das kirchlich asketische Ideal des Mittelalters wie ein religiöser Protest gegen die alten reichen Landklöster. Aber auch zahlreiche Kirchenbauten bzw. -umbauten, Messestiftungen, Übertritte von Regularen in strengere Orden, die Beschäftigung mit den Totentanzzyklen und die innige Hingabe an die Motive der Passion sowie die Errichtung zahlreicher Kreuzaltäre zeigen ein religiöses Bedürfnis, das freilich von den Inhabern der kirchlichen Ämter oft nicht empfunden wurde.
Neben den Missständen in der Kirche und dem ernsten religiösen Streben haben die sozialen Spannungen, die wiederholt blutig ausarteten, zum Ablauf von Reformation und Gegenreformation wesentlich beigetragen. Der Dualismus Landesfürst-Stände erreichte etwa mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts bis zum Anfang des 30jährigen Krieges die größte Bedeutung für die politische und religiöse Entwicklung unseres Landes; der Steigerung der Fürstengewalt ging die Durchbildung ständischer Organisationen parallel. Gegen den zum Absolutismus drängenden Fürsten beanspruchten schließlich die Stände für sich selbst Souveränitätsrechte. Als sichtbare Denkmäler dieser selbstbewussten Einstellung sind noch heute die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts errichteten Landhäuser - Sitz der ständischen Organisationen und Landtage - in Klagenfurt, Linz, Graz und Wien zu sehen, die schon äußerlich an Größe und künstlerischer Bedeutung damals der landesfürstlichen Burg nicht nachstanden.
Die Auseinandersetzung zwischen Landesfürst und Ständen kann in dieser Zeit von den Glaubenskämpfen nicht getrennt werden. Das Religiöse war wichtig, aber es wurde oft nur zur Bemäntelung rein politischer Angelegenheiten vorgebracht. Da in Österreich vor Beginn des 30jährigen Krieges der Landesfürst katholisch, die Mehrzahl der Stände aber protestantisch war, wurden Protestantismus, ständische Autonomie und Föderativstaat einerseits, Katholizismus und absoluter Zentralstaat andererseits gleichgesetzt, und da schließlich der Absolutismus siegte, wurden rückblickend oft Protestantismus und Staatsumwälzung gleichgesetzt.
Die allerersten Anfänge der evangelischen Bewegung in Österreich fallen mit der blutigen Unterdrückung der ständischen Bewegung durch den eben aus Spanien gekommenen und mit den österreichischen Verhältnissen noch in keiner Weise vertrauten FERDINAND I. zusammen. Es ist bisher nie genau untersucht worden und wird wahrscheinlich auch kaum einmal möglich sein, inwieweit der massenhafte Übertritt des Adels und der Bürgerschaft in Österreich zur neuen Lehre auch ein Akt der politischen Opposition war. Auch die Aufstände der Bauern sind keineswegs nur eine Frucht der Reformation. Sie reichen in Österreich bis in die Zeit der Kriege gegen die Hussiten zurück, deren Lehren bei den ohnehin von Abneigung gegen die reichen Geistlichen erfüllten Bauern Anklang fanden. Bekannter ist die Erhebung der Bauern in Kärnten gegen ihre Herren im Jahre 1478, von denen sie sich nur bedrückt, nicht aber vor den Türken geschützt fühlten. Sie verweigerten nicht nur die Zahlung der Abgaben an die Grundherren und erhoben selbst Steuern, sondern sprachen auch von der Absicht, von nun an ihre Richter und Pfarrer selbst zu wählen. Aus ähnlichen Gründen brach 1515 in Krain ein Bauernaufstand aus, der sich nach Kärnten und Steiermark ausdehnte. Im großen Bauernkrieg von 1525, der im Tiroler MICHAEL GAISMAIR einen hervorragenden Führer hatte, ist schon deutlich der Einfluss der Reformation festzustellen. Es wurde nicht nur, wie bereits vom Kärntner Bauernbund 1478, die Wahl der Pfarrer durch die Gemeinde, sondern auch die Abschaffung der weltlichen Macht der Bischöfe, die Beschränkung der Zahl der Klöster und die Verkündigung des reinen Wortes verlangt. Es handelte sich dabei nicht so sehr um direkte Angriffe auf die alten kirchlichen Zustände, als vielmehr auf die bestehende Ordnung überhaupt; damit wurde aber alles bisher Feststehende mit hineingezogen.
Die erste fassbare Begegnung mit der Reformation in Österreich ist 1520 festzustellen. In den Fastenpredigten eines Barfüßermönches in Steyr lässt sich das Einströmen des neuen Geistes nachweisen. Als JOHANNES ECK im November 1520 die Bannandrohungsbulle zur Publikation nach Wien schickte, erfolgte diese zunächst nicht, weil Rektor und Statthalter dagegen waren. Erst auf ausdrücklichen Befehl KARLS V. wurde die Bulle am Sonntag "Invocavit" auf der Universität den versammelten Mitgliedern aller Fakultäten und eine Woche später in allen Kirchen verkündet. Im selben Jahr erschien die erste reformatorische Schrift in Wien (JOACHIM VADIANUS - WATT, Ein Underscheyd zu erkennen den almechtigen got in wie die newen göter uff sind kommen kürtzlich begriffen). 1522 predigte PAUL SPERATUS im Stephansdom gegen Klostergelübde und für die Priesterehe und die Rechfertigung durch den Glauben allein. Der 1523 zum Bischof von Wien ernannte JOHANN VON REVELLIS war wachsamer als sein Vorgänger und setzte einen Gerichtshof ein, vor dem sich der Häresie Verdächtige zu verantworten hatten. So kam es zur Verurteilung KASPAR TAUBERS, des ersten Wiener Märtyrers der evangelischen Bewegung, der am 17. September 1524 hingerichtet wurde.
Besonders früh und eng waren die Beziehungen des oberösterreichischen Adels zu Wittenberg. CHRISTOPH JÖRGER war seit 1522 in persönlicher und BARTHOLOMÄUS STARHEMBERG seit 1524 in brieflicher Verbindung mit LUTHER. Vielleicht früher noch als beim Adel hat die evangelische Bewegung in den Städten Eingang gefunden. Neben Wien und Steyr sind in Nieder- und Oberösterreich vor allem St. Pölten, Waidhofen, Gmunden, Enns und Linz zu nennen.
Auch in Steiermark und Kärnten drang die neue Lehre schnell ein. In Bruck an der Mur war schon vor dem Bauernkrieg 1525 der Stadtpfarrer Dr. OTMAR im lutherischen Geiste tätig. FERDINAND I. verwies ihn des Landes und verfügte die Besetzung der reichen Pfarre mit einem frommen, ehrbaren christlichen Priester, der nicht der "lutherischen Sekte" angehörte. In Kärnten waren es Handwerker und Bergleute, die früh die neue Lehre ins Land brachten. 1525 soll sie sogar der Minoritenguardian in Wolfsberg verkündet haben. Klagenfurt wurde bald eine evangelische Stadt. Der Villadier Rat besetzte die St. Jakobs-Stadtpfarrkirche mit Zustimmung des Patronatsherrn SIEGMUND VON DIETRICHSTEIN 1526 mit einem Anhänger LUTHERS. Die bekanntesten Adelsgeschlechter schlossen sich der Reformation an. Der langjährige Landeshauptmann der Steiermark, HANS UNGNAD, hat sich um die evangelische Bewegung über sein Land hinaus große Verdienste erworben. Als Besonderheit ist für Innerösterreich die Annahme der Reformation bei den Slowenen hervorzuheben, die auf weite Sicht mehr für die nationale als für die religiöse Entwicklung von Wichtigkeit wurde.
Bereits 1522 musste Dr. JAKOB STRAUSS Tirol wegen seiner eindeutigen Aktivität für die Reformation in Hall verlassen. Anfang der zwanziger Jahre ist auch in Kufstein, Stams und Innichen der lutherische Geist nachweisbar. In Brixen predigte ein Schneidergeselle auf offenem Platz wider die christliche Ordnung, geistliche und weltliche Obrigkeit und gemeine Priesterschaft. Auch in Vorarlberg verkündete neben anderen ein Laienpriester die Lehre LUTHERS. Unter Erzbischof MATTHÄUS LANG, der mehr mit der Reichspolitik als mit seinen Diözesanangelegenheiten beschäftigt war, erschien 1523 das erste Mandat gegen die lutherische Lehre, zu der sich die Salzburger Bürger in einem Aufruhr offen bekannt hatten.
Von Odenburg und Güns aus verbreitete sich das Luthertum im Burgenland. Schon 1522 versammelten sich Ödenburger Bürger in Gasthäusern zu evangelischen Gottesdiensten. 1524 wurde u. a. der Gemeinde Rust der Gebrauch lutherischer Bücher verboten. Im Sommer desselben Jahres wurde bei Güssing ein Buchhändler wegen Verbreitung lutherischer Schriften verbrannt. Das Burgenland nahm an der ungarischen Entwicklung teil, die vom Standpunkt der Reformation aus gesehen günstiger verlief als in den böhmisch-österreichischen Ländern.
Viel schärfer als das Luthertum wurde jedoch die Täuferbewegung bekämpft, die seit 1526 in Österreich nachgewiesen werden kann und in Tirol die meisten Anhänger hatte. Die österreichischen Täufer gehörten zur Gruppe der widerstands- oder wehrlosen Frommen, die jedem Christen die Führung des Schwertes untersagten. Frühzeitig kam auch durch die Betonung der Bruderschaft der Gedanke der Gütergemeinschaft auf. Trotz zahlreicher Hinrichtungen gelang es der weltlichen Obrigkeit nicht, das Täufertum auszurotten. Viele Tiroler Täufer wanderten nach Mähren aus, wo ihr Führer JAKOB HUTER das Gemeindeleben auf der Basis der Gütergemeinschaft, der Errichtung von Produktions- und Konsumgenossenschaft organisierte. HUTER wurde 1536 in Innsbruck als Ketzer hingerichtet; seine Mitbrüder, immer allgemeiner "Huterische Brüder" genannt, mussten 1622 von Mähren nach Oberungarn und Siebenbürgen ausweichen. Nach etwa 150 Jahren zogen sie ihres Glaubens wegen in die türkische Walachei und weiter nach Südrussland sowie schließlich zwischen 1874 und 1877, als in Russland die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde, nach Nordamerika, wo noch heute auf über hundert Bruderhöfen etwa 12.000 Huterische Brüder nach alter Sitte und altem Brauch leben.
Die Realisierung von FERDINANDS I. Absicht, die alte Ordnung in der Kirche wiederherzustellen, wurde fast vom Anfang an durch die Türkengefahr beeinträchtigt, und als die Hauptlast der Verteidigung des Abendlandes nach 1526 auf Österreich überging, notgedrungen zeitweilig vollständig außer Amt gelassen. Der später gebrauchte Spruch "Der Türke ist der Lutheraner Glück" ist vom Standpunkt der damaligen fürstlichen Konfessionspolitik, die dann 1555 reichsrechtlich anerkannt wurde, durchaus begründet. Aus Ofen, mitten in den ungarischen Wirren, erließ FERDINAND 1527 ein grundlegendes Mandat, das allen die Durchführung des Wormser Edikts befahl, lutherische Bücher verbot und sich gegen die Wiedertäufer wandte. 1528 bedrohte er den Druck und Handel häretischer Bücher mit Ertränken. Im selben Jahr ordnete er eine Visitation aller kirchlichen Institutionen und Personen an. Aus Klerikern und Laien zusammengesetzte Kommissionen zogen von Pfarre zu Pfarre, um im Auftrag des Landesfürsten den Zustand der Kirche festzustellen. Das Interesse der Visitatoren galt nicht nur dem religiösen Leben allein, sondern auch dem kirchlichen Besitz. Aus den darüber geführten Visitationsprotokollen ist eindeutig zu entnehmen, dass in viele, aber noch nicht in alle Orte die neue Lehre bereits eingedrungen war. Die Mängel waren amtlich festgestellt, aber es fehlten die Mittel und vor allem die Menschen zu einer gründlichen Besserung. Man musste sich mit dem Standpunkt abfinden, besser ein mangelhafter Priester als keiner. Die weiteren unter FERDINAND I. durchgeführten Visitationen von 1532, 1536, 1544 und 1561 zeigen daher ein weiteres Vordringen des Protestantismus.
Eine gewisse Klärung in Glaubensfragen brachte 1530 die "Confessio Augustana", die vom größeren Teil der Anhänger der Reformation in Österreich angenommen wurde. Zum erstenmal war das Bekenntnis schriftlich niedergelegt, und jeder konnte lesen, was eigentlich der Inhalt der neuen Lehre war, die zur Grundlage der evangelischen Kirche in Österreich wurde. Mit der Augsburger Konfession wurden aber nicht nur die Gegensätze zur römischen Kirche klargestellt, sondern auch innerhalb der evangelischen Bewegung gleichsam zwischen Rechtgläubigen sowie Sektierern und Häretikern unterschieden.
Da der größere Teil der Herren und Ritter in Österreich das Augsburger Bekenntnis annahm, entwickelte sich aus der evangelischen Bewegung auch ein politischer Machtfaktor, der auf den Landtagen bald den landesfürstlich-katholischen Interessen entgegentrat. Erhob der Ausschusslandtag der niederösterreichischen Länder zu Innsbruck 1532 noch die allgemeine Forderung nach der Predigt des klaren Wortes Gottes ohne Menschenzusatz, so kann auf der Tagung der ständischen Ausschüsse zu Linz im Frühjahr 1538 zum erstenmal konkret lutherische Dogmatik festgestellt werden, nämlich die Rechtfertigung aus dem Glauben. Auf dem von FERDINAND I. 1541 nach Prag einberufenen Ausschusslandtag der österreichisch-böhmischen Länder, auf dem Mittel und Wege zur Beseitigung der Türkengefahr gefunden werden sollten, machten die evangelischen Stände zum erstenmal Gebrauch von ihrer politischen Macht zugunsten der Augsburger Konfession. Nicht die von FERDINAND I. geforderte Türkenhilfe, sondern Religionsangelegenheiten sollten zuerst behandelt werden. Diese Taktik ist, solange die Herren und Ritter mächtig und einheitlich evangelisch waren, beibehalten worden. Von der einen Seite wurden sie dafür als Verräter an der Christenheit beschimpft und von der anderen als Edelchristen gepriesen, die das Wort und das Reich Gottes über zeitliche Anliegen stellten. Tatsächlich ist der extreme Fall nie eingetreten, aber sicher ist, dass die evangelischen Stände durch Ausnutzung ihrer politischen Macht der Reformation in Österreich wesentliche Vorteile verschaffen konnten.
Trotz aller Gegensätze gab es aber auch noch gemeinsame Interessen zwischen katholischen Landesfürsten und evangelischen Ständen. Sowohl FERDINAND I. als auch der protestantische Adel lehnten die Beschlüsse der Salzburger Synode von 1549 ab, indem sie eines Sinnes waren gegen die Einmischung der Geistlichen in weltliche Belange und für die Beibehaltung des Einflusses der Laien in gewisse kirchliche Angelegenheiten. Im oberösterreichischen Bauernaufstand gingen sie gemeinsam gegen die Rebellierenden vor.
Fast dauernde kriegerische Verwicklungen mit Frankreich, den Türken, deutschen Fürsten, ja sogar mit dem Papst und in Nordafrika, zwangen KARL v. und FERDINAND I. immer wieder zur Verschiebung der Wiederherstellung der kirchlichen Einheit und schließlich nach der großen, von Frankreich geförderten deutschen Fürstenverschwörung zur Ausarbeitung und Annahme eines Kompromisses zu Passau 1552 und Augsburg 1555, der die Teilung des Reiches in zwei Konfessionen anerkannte. Allerdings stand die Wahl des Bekenntnisses nicht dem einzelnen zu, sondern dem jeweiligen Reichsstand für die gesamte Bevölkerung seines Gebietes.
Für Österreich hätte dem Augsburger Religionsfrieden zufolge die Glaubensspaltung zuungunsten der Reformation beendet werden sollen. In allen österreichischen Ländern außer Tirol, das eine Sonderentwicklung hatte, bekannte sich aber die Mehrheit des Adels weiterhin zur neuen Lehre und trotzte den Maßnahmen des Landesfürsten in Religionsangelegenheiten. Auf dem 1556 in Wien abgehaltenen Ausschusslandtag, den FERDINAND I. wegen der Geldbewilligung für den Türkenkrieg einberufen hatte, brachten die Stände sofort die Religionsfrage zur Sprache. Inzwischen hatte, wie die Visitation von 1561 zeigte, die Zersetzung der alten kirchlichen Ordnung weitere Fortschritte gemacht, und die meisten Protestanten glaubten ihre Hoffnungen auf MAXIMILIAN II. setzen zu können, der als Thronfolger vielen schon evangelisch schien. Aber sowohl auf dem Huldigungslandtag 1564 in Wien als auch auf den 1565 in Wien und Linz abgehaltenen Landtagen lehnte er die Wünsche der Stände nach freier Ausübung der Augsburger Konfession, die sie als die rechte katholische und apostolische Religion bezeichneten, und nach Abschaffung aller ihr zuwiderlaufenden Satzungen, Zeremonien und Missbräuche ab. Hilfe für den österreichischen Protestantismus brachten äußere Ereignisse: Der wenig erfolgreiche Türkenkrieg 1566/68 und die Auseinandersetzungen in Frankreich und den Niederlanden zwischen Königtum und protestantischem Adel machten MAXIMILIAN II. konzessionsbereit; außer den schweren Kriegsverlusten erschreckte und ängstigte ihn, eine irenische und dem Dogmenstreit abholde Natur, das Bild der Gewalt und des Unfriedens, das religiöse Auseinandersetzungen heraufbeschworen hatten. 1568 gewährte er daher den Herren und Rittern Niederösterreichs gegen die damals enorme Summe von 2 500 000 Gulden die Religionskonzession, und nach Erarbeitung einer von ihm für gut befundenen Kirchenordnung (Agenda) erteilte er 1571 die "Assekuration", die besagte, dass die beiden adeligen Stände auf ihren Schlössern und Gütern, nicht jedoch in ihren Häusern in landesfürstlichen Städten und Märkten, das Augsburger Bekenntnis frei ausüben könnten. 1568 hatten auch die beiden adeligen Stände Oberösterreichs für eine entsprechend hohe Steuerbewilligung dieselben religiösen Freiheiten erlangt. In den Städten wurden trotzdem und in Wien seit 1574 mit Erlaubnis des Kaisers evangelische Gottesdienste gehalten. Dieses religiöse Entgegenkommen wurde nicht vom Augsburger Religionsfrieden abgeleitet, sondern als besondere "Freistellung" empfunden und auch so genannt.
Nachdem die innerösterreichischen evangelischen Stände bei der Huldigung 1564 von Erzherzog KARL zunächst noch vergeblich die Duldung des Augsburger Bekenntnisses verlangt hatten, musste der Landesfürst, der auf die Bereitschaft der Stände zur Verteidigung der Grenzen gegen die Türken angewiesen war, schließlich nachgeben. 1572 gewährte er auf dem Landtag zu Graz den der Augsburger Konfession zugetanen Herren und Rittern samt Familie, Gesinde und "angehörigen Religionsverwandten" gegen eine in mehreren Jahresraten zu zahlende hohe Geldsumme die sogenannte Religionspazifikation, in der er versprach, den vorgenannten Personenkreis des Glaubens wegen nicht zu beschweren, sondern ebenso wie den Katholiken zugetan zu sein, Prädikanten nicht zu verjagen, evangelische Kirchen und Schulen unangetastet sowie Vogtei- und Lehensherren bei ihren alten Rechten lassen zu wollen. Ebenfalls unter dem Druck der Türkengrenze versprach Erzherzog KARL 1578 auf dem Brucker Generallandtag den innerösterreichischen Ländern mündlich noch mehr, nämlich die Pazifikation von 1572 zu halten und niemanden seines Gewissens wegen zu beschweren, was die Protestanten als Tolerierung ihrer Konfession auch in den landesfürstlichen Städten auslegten.
Mit der Religionskonzession (1568) und Assekuration (1571) sowie mit der Religionspazifikation (1572) und dem Brucker Libell (1578) hat die Reformation in Österreich ihren Höhepunkt erreicht. Der revolutionäre Schwung musste aber in der zweiten Generation gleichsam naturnotwendig nachlassen; Gruppen, wie die Flacianer, machten sich bemerkbar, und die neue von Genf ausgehende Bewegung gab den Lutheranern kaum weniger zu schaffen als den Katholiken. Das Brucker Libell enthielt eine ausdrückliche Ablehnung der Calviner durch die dem Augsburger Bekenntnis zugetanen Stände. Zudem hatte sich auf katholischer Seite vieles durch das Auftreten der Jesuiten und das Konzil von Trient verändert. Die alte Kirche hatte sich selbst reformiert, wenn auch dabei ungenannt MARTIN LUTHER gleichsam die Anträge gestellt hatte. Selbstverständlich ist nicht von heute auf morgen eine vollkommene Änderung zum Besseren eingetreten, aber als in den siebziger Jahren der Protestantismus in Österreich seine größten Erfolge errungen hatte, zeigten sich auch bereits die ersten Ergebnisse auf katholischer Seite. Die Jesuiten hatten bereits angesehene Kollegien mit Schulen und Einfluss bei Hof in Wien und Innsbruck, und im Jahre der Religionspazifikation ließen sie sich auch in Graz nieder und bauten ein wichtiges Zentrum für die Rekatholisierung auf. Weitere Kollegien folgten in Klagenfurt, Linz, Judenburg, Leoben, Hall und anderen Städten. Zum Teil wurden die Jesuitenschulen als Konkurrenz- oder Nachfolgeinstitutionen protestantischer Lehranstalten, die in der Regel von den evangelischen Ständen erhalten wurden und ein beachtliches Niveau hatten, errichtet.
Neben den Jesuiten wirkten vor allem die Nuntien für die Wiederherstellung der katholischen Kirche. Seit den fünfziger Jahren residierte in der Regel einer in Wien, in den siebziger Jahren gab es zudem noch einen für Süddeutschland, der in Graz, lnnsbruck, München und Salzburg akkreditiert war, und 1580 wurde schließlich eine eigene Nuntiatur Graz errichtet.
Die Nuntien und die fallweise entsandten Legaten haben nicht nur detaillierte Berichte über die religiöse und politische Lage nach Rom geschickt und die von dort erhaltenen Weisungen durchgeführt, sondern auch direkt eingegriffen, wie Kardinal GIOVANNI FRANCESCO COMMENDONE, der am Reichstag 1568 die bisher starre Haltung der römischen Kurie mit dem Anspruch aufs Ganze aufgab, um dafür die Möglichkeiten des Augsburger Religionsfriedens zugunsten der katholischen Kirche auszunützen, das hieß vor allem, in Anwendung des "cuius regio, eius religio" den Protestantismus aus den Gebieten katholischer Fürsten zu eliminieren.
Die Nuntien erinnerten die katholischen Landesfürsten immer wieder an die Gewissensverpflichtung, für das Seelenwohl der Untertanen zu sorgen, an die "ragione di stato", die eine einzige Religion fordere, oder an die Verwerflichkeit der Toleranz in religiösen Angelegenheiten. Sie nahmen aber auch Einfluss auf die landesfürstliche Personalpolitik und wurden schließlich durch Visitationen, geistliche Gerichtsbarkeit und Sorge um den Priesternachwuchs zu einem von den einheimischen Prälaten oft sehr unangenehm empfundenen Motor der kirchlichen Reform.
Neben Rom sorgten sich um die religiöse Entwicklung in Innerösterreich besonders die Herzöge von Bayern, Vorkämpfer der katholischen Kirche in Deutschland, die durch verwandtschaftliche Beziehungen zum innerösterreichischen Hof die Probleme fast als die ihren empfanden. lm Oktober 1579 wurde in München eine Konferenz abgehalten, an der außer den Herzögen von Bayern auch Erzherzog KARL, Erzherzog FERDINAND von Tirol und der Erzbischof von Salzburg teilnahmen und auf der die Richtlinien für die Rekatholisierung Innerösterreichs festgelegt wurden. Um Erzherzog KARL gegenüber den Forderungen der protestantischen Stände standfester zu machen, sollte zur Hilfe der benachbarten Fürsten auch Unterstützung von seiten des Papstes und des Königs von Spanien kommen. Neben politischen, disziplinären und geistlichen Mitteln wurden auch militärische, nämlich eine Besatzung in Graz, beschlossen. Der durchschlagende Erfolg ist in den nächsten Jahren in Innerösterreich noch nicht gelungen, doch konnte mancher Teilerfolg errungen werden. Die radikale Rekatholisierung Innerösterreichs, oft nur eine rein äußerliche Rückführung zur Teilnahme an katholischen Kultformen, wurde unter FERDINAND II. 1598-1600 durchgeführt; 1601 wurden alle evangelischen Prädikanten, Präzeptoren, Schreiber und Schulmeister ausgewiesen. Der Adel wurde vorläufig noch geschont, er hat sich aber kaum ernstlich für die hart bedrängten Glaubensbrüder in den anderen Ständen eingesetzt.
In Nieder- und Oberösterreich setzten bald nach dem Tode MAXIMILIANS II. (1576) unter dessen Sohn und Nachfolger RUDOLF II. Maßnahmen gegen die Protestanten ein. Der hervorragendste Mann der katholischen Restauration war MELCHIOR KLESL, Sohn eines evangelischen Bäckermeisters in Wien, der in die Jesuitenschule kam, katholisch wurde und sich mit dem Konvertiten oft eigenen Eifer für seine Idee einsetzte. Als er 1580 Offizial des Bischofs von Passau in Wien geworden war, begann er sofort und mit großem Geschick, die Rekatholisierung zu betreiben. 1590 wurde er Direktor der landesfürstlichen Reformationskommission und konnte nun als zugleich kirchlicher und staatlicher Bevollmächtigter noch wirksamer tätig sein. Der 1593 ausgebrochene Türkenkrieg und der 1595 Oberösterreich und Teile von Niederösterreich erfassende Bauernaufstand, der sich zwar an religiösen Motiven entzündet hatte, aber durch rein wirtschaftliche Umstände verursacht worden war, beeinträchtigten zunächst noch die Bemühungen KLESLS. Der Türkenkrieg kam auch dem protestantischen Adel, auf dessen Geldbewilligungen der Kaiser angewiesen war, zugute. Die Niederwerfung des Bauernaufstandes aber bot die Gelegenheit, nicht nur den Protestantismus unter den Bauern, sondern auch die evangelischen Grundherren zu treffen. 1598 setzte in Oberösterreich unter allen üblichen Begleitumständen die eigentliche Gegenreformation, d. h. gewaltsame Rückführung zur katholischen Kultübung ein. Dem evangelischen Adel blieb auch vorläufig die Kultfreiheit, ja, bei der Niederwerfung des Bauernaufstandes und damit auch des Protestantismus hat er mitgewirkt.
Die weitere Entwicklung in Nieder- und Oberösterreich war vor allem durch die Auseinandersetzung des katholischen Landesfürsten mit dem protestantischen Adel um die Macht im Staate gekennzeichnet. Die beiden hervorragendsten Männer in diesem Kampfe waren Bischof MELCHIOR KLESL und der Calviner GEORG ERASMUS TSCHERNEMBL. Beide haben über die engere österreichische Geschichte hinaus Bedeutung erlangt und beide sind gescheitert. TSCHERNEMBL musste nach der Schlacht am Weißen Berg in die Emigration nach Genf gehen, wo er auch starb. Noch früher ereilte den inzwischen zur Würde des Kardinalats aufgestiegenen Leiter der kaiserlichen Politik MELCHIOR KLESL sein Schicksal: Er wurde zwei Monate nach dem Prager Fenstersturz in der Hofburg verhaftet und jahrelang in Tirol und in der Engelsburg zu Rom eingekerkert.
Zweimal noch schien sich am Anfang des 17. Jahrhunderts die Lage zugunsten des ständischen Adels und damit des Protestantismus zu entwickeln, nämlich im Laufe des Bruderzwistes, als sowohl RUDOLF als auch MATTHIAS die Unterstützung des Adels suchten, und dann nach dem Prager Fenstersturz, als eine große anti-habsburgische und antikatholische Allianz zustande kam. Nach dem Bruderzwist gelang es aber KLESL, die einheitliche ständische Opposition zu sprengen, und nach dem Prager Fenstersturz vermochte der Papst, Frankreich von einem Eingreifen gegen das Haus Osterreich zugunsten der protestantischen Stände abzuhalten.
Durch die Schlacht am Weißen Berg (1620) wurde aber nicht nur der ständische Adel, sondern auch der Protestantismus in Österreich völlig geschlagen. Hatte früher die Reformation von der Macht des Adels profitiert, wurde sie nun in dessen Niederlage mit hineingezogen. Nachdem die evangelischen Bürger und Bauern schon vorher mehr oder weniger gewaltsam rekatholisiert worden waren, traf es nun den protestantischen Adel: Geschwächt durch Bluturteile und Emigration, aber auch verlockt durch Aussicht auf Karriere und Hofdienst sowie schwer getroffen durch das Fehlen von Prädikanten und Lehrern wurde auch der Adel, obwohl ihm die Kultfreiheit nicht überall genommen worden war, zum größten Teil wieder katholisch. Äußerlich war damit nach rund 100 Jahren die Glaubensspaltung wieder beseitigt. Im stillen ist aber evangelisches Leben weitergepflegt und weitergegeben worden und in den Tagen des Toleranzpatentes (1781) wieder hervorgetreten.
Johann Rainer, Die Glaubensspaltung: Religion und Kirche in Österreich, Hrsg. v. Institut für Österreichkunde, Wien 1972, 45 - 57
Johann Rainer, Dr. phil., o. Prof. für Österreichische Geschichte an der Universität lnnsbruck.